Die
Situation, die in dem Gespräch angesprochen wird, ist nicht neu.
Spätestens seit dem die RAF ihre ersten Gefangenen hatte, ergab sich
aufgrund der von ihr forcierten Trennung in Kriegsgefangene und
gewöhnliche Gefangene eine Richtung, die nicht mehr das Gefängnis
generell in Frage stellte; es wären halt nur teilweise die Falschen
drin – damit entwickelte sich ein Bewusstseinswandel, dessen
Ergebnis ( „politische Gefangene versus kriminielle“) eigentlich
bis heute andauert.
Wenn
im Gespräch über „die Linke“ geredet wird, ist dies sehr
allgemein, meint aber in Bezug der Knastarbeit bzw. Antiknastarbeit,
eine in sozialer und kultureller Hinsicht
privilegierten Gruppe und Individuen, die sich dadurch von den
anderen Gefangenen und Aktivistis abgrenzen und die Themen bestimmen
…. auch wenn es in Teilen von ihnen Absichtserklärungen geben mag
(„eigentlich sind wir alle politische Gefangene“) verschärft
sich die Kluft immer mehr:
das
praktische Wissen, dass sich viele der nicht-Akademisierten durch
ihre alltäglichen Erfahrungen in Stadtteil, Fabrik und hier im
Knast angeeignet hatten, ist nix wert bei den vielen so genannten
„Experten und Expertinnen“ die weiterhin und verstärkt die noch
verbliebenen Räume besetzen mit dem Ausweis des „Besserwissens“..
geadelt durch die Lektüre und dem Verstehen entsprechender Literatur und dem Orden des politischen Aktivisten – konkret: die selben Handlungen wie bei einem „normalen Gefangenen“ sind halt nicht dieselben bei den Aktivistis, dienen diese doch bei letzteren einem „höheren Ziel“ egal wie hoch und konkret das jeweils auch sein mag und dient damit vor allem als Rechtfertigung gegenüber der (Straf-) Gesellschaft und zur Abgrenzung gegenüber den anderen Gefangenen…
und die in letzter Zeit getroffene Formulierung die „normalen Gefangenen“ als „Gefangene des Kapitalismus“ zu sehen, wirft eher neue Fragen auf, statt verbindende Antworten geben zu können … gegen was kämpfen hierzulande eigentlich die „Politischen“? Sind sie nicht auch „Gefangene des Kapitalismus“?
geadelt durch die Lektüre und dem Verstehen entsprechender Literatur und dem Orden des politischen Aktivisten – konkret: die selben Handlungen wie bei einem „normalen Gefangenen“ sind halt nicht dieselben bei den Aktivistis, dienen diese doch bei letzteren einem „höheren Ziel“ egal wie hoch und konkret das jeweils auch sein mag und dient damit vor allem als Rechtfertigung gegenüber der (Straf-) Gesellschaft und zur Abgrenzung gegenüber den anderen Gefangenen…
und die in letzter Zeit getroffene Formulierung die „normalen Gefangenen“ als „Gefangene des Kapitalismus“ zu sehen, wirft eher neue Fragen auf, statt verbindende Antworten geben zu können … gegen was kämpfen hierzulande eigentlich die „Politischen“? Sind sie nicht auch „Gefangene des Kapitalismus“?
Was
bleibt? Die vorhandene Alternative der Selbstorganisation von
Gefangenen bzw. Ex-gefangenen ist keine wirkliche. Die
„Gefangenengewerkschaft“, deren Aussenvertreter sich mit
autoritären knastbejahenden Gruppierungen und Parteien treffen, die
wiederum mit Justizminister*innen „Kaffee trinken,“orientiert
sich an der herrschenden Arbeitsideologie und beklagt allenfalls
„schlechte Arbeitsbedingungen“ in den Knästen, deren
Vorhandensein sie in der politischen Wirklichkeit als grundlegende
Säule einer kapitalistischen herrschaftlichen repressiven
Gesellschaft akzeptiert.
Was
ist möglich? Es wird weiter unten von einer „Organisierung von den
Ex-Gefangenen bzw. den Angehörigen der Gefangenen gesprochen. Es
gab Mitte und Ende der 70er so was wie „Häftlingskollektive“
(eine Gruppe von Gefangenen und Ex-gefangenen gleichzeitig), es gab
den „Gefangenerat“ --- bis halt, siehe oben im ersten Abschnitt..
Vielleicht
gelingt dieses oder ähnliches in einzelnen Städten, hin und wieder
in den Knästen, ohne von den auf „sozialen Frieden“ Bedachten
eingenommen oder von der durch Anspruch auf Führerschaft eigentlich
sie verachtenden „politischen“ auseinandergenommen oder benutzt
zu werden…. um damit auch zu einem neuen Selbstbewusstsein zu
kommen, einem Selbstbewusstsein, das künftige Antiknasttage nicht
ablehnt oder vermeidet, sondern wirklich nachhaltige Ideen dort
hineinbringen kann..denn von aussen wer auch immer ist nichts zu erwarten ....
W.
aboli@riseup.net
Zu der
angesprochenen Situation in den USA siehe hier:
https://radiochiflada.blogspot.de/2016/07/wir-brauchen-eine-knastkritische.html
+
Studiogespräch zweier AntiKnastaktiven
A: Die
Antiknasttage gibt es seit hierzulande seit einigen Jahren? Was ist
eigentlich der Anlass?
Z: Es gibt in
unterschiedlichen Städten knastkritische Gruppen und Individuen, die
sich aber meistens nur per Internet kennen , per Emails und die Idee
der Knasttage ist es, wenigstens einmal im Jahr einen persönlichen
Austausch zwischen den Gruppen und Einzelleuten zu ermöglichen.
Dabei ist immer die Hoffnung dabei, das in den Städten, in denen
diese Tage stattfinden, Leute dazukommen, die vielleicht noch nicht
so engagiert sind im Kampf gegen die Knäste, sich informieren
wollen, zuhören, aber auch mit diskutieren und sich einbringen..!
A: Welche Hoffnung
und Erwartungen hast du mit den Antiknasttagen?
Z: Ich habe eigentlich
die Erwartung, dass die Leute, die teilnehmen, unsere Positionen
näher bringen können, denn das muss ich auch sagen, die
Antiknasttage sind ja ne Mischung, also die Leute sind nicht
einheitlich drauf. Was uns alle eint, ist die Losung: Knast ist keine
Lösung! So als Forderung und fernes, noch abstraktes Ziel wollen wir
alle eine Gesellschaft ohne Knäste.
Wie wir dahin kommen, ob wir uns
dabei auf Teilschritte einlassen, welchen Weg wir dahin gehen, das
ist durchaus unterschiedlich unter den Beteiligten.
A: Nun waren wir beide
dieses Jahr in Berlin. Wie ist dein Resümee, dein Empfinden nach
diesem Wochenende…?
Z: Erst einmal war ich
mal wieder überrascht. In Berlin waren zeitweise 150 Leute da, die
Hütte ( Räume de SFE- Schule für Erwachsenenbildung, der
Sätzer) war proper voll… so viele Interessierte bei so einem
schwierigen ja unpopulären Thema hat mich überrascht...Andererseits
war es ein ziemlich eng gedrängtes Programm, jede Stunde war ein
anderer Workshop, ein anderes Thema angesetzt, was schon fast zu viel
war. Ich persönlich war überfordert, um an allen Workshops wirklich
teilnehmen zu können, andererseits, dieses Bündnis dieses Jahr sind
Leute, die weitgehend zur „linken Szene“ gehören. Es sind ganz
wenige Ex-Gefangene da gewesen, Angehörige, glaube ich, nur zwei,
was m.E. auch ein Manko dieser Antiknasttage ist. Ich habe mit einer
Aktivistin geredet, in den USA sieht es ganz anders aus. Bei solchen
Treffen sind jede Menge Ex-Gefangene und Angehörige da sind und die
ganz andere Schwerpunkte setzen.
A: Mein Eindruck war
ähnlich. Ich habe die Ex-Gefangenen vermisst.
Ich glaube, erkennbar
waren wir zu dritt, wobei Andre ja gerade erst entlassen ist, dann
wir beide mit den bestimmten jeweiligen Erfahrungen
Ich war in einem
Bezirk/Stadtteil, wo Leute sich mit allen möglichen Themen
beschäftigen, aber konkret zum Thema Knast auch in Hinblick auf die
Gefangenen eine sehr allgemeine Meinung hatten.
Immer wurde hörte
ich raus, exemplarisch beim Eingangsreferat dass Gefängnisse nur ein
Teil einer Repression ist und das die Knäste erst dann erst
abgeschafft werden kann, wenn irgendwelche großen revolutionären
Ziele erfüllt werden
(wann immer auch danach dieses geschehen könnte,
die Geschichte der Revolutionen spricht dagegen, der Sätzer).
Ich
kam mir dann etwas verloren vor, ja regelrecht fehl am Platze. Ich
merkte auch beim Andre, dass er immer wieder flüchten wollte
Ich
habe dich erlebt, der auch nicht warm wurde an und mit diesen Orten.
Eigentlich warst du ja da, um deinen Workshop durchzuziehen. Wie war
denn die Erfahrung dort?
Z: Ich habe einen
Workshop gemacht, wo es um die Frage ging: lassen wir uns bei dem
Ziel „Gesellschaft ohne Knäste“ auch auf kleine Teilschritte
ein. Es wurde am Beispiel der Gefangenengewerkschaft diskutiert.
Macht die überhaupt Sinn? Können wir uns Teilschritte vorstellen
oder sollten wir warten, bis das ganze System so repressiv geworden
ist, das wir nix mehr verbessern können, sondern nur noch warten,
bis wir das System überwunden haben.
Ich sagte da, ich
kann mir auch hier und heute schon , Schritte und Verbesserungen
vorstellen,die müssten halt in die richtige Richtung gehen, d.h.
Abschaffung der Knäste. Wir sind natürlich nicht in der Position,
jetzt alle Knäste abzuschaffen, aber konkret ist es möglich.
Es
gibt Knäste, da sitze Leute wegen nicht bezahlter Geldstrafen,
Schwarzfahrer und so weiter. Diese Knäste können wir sofort
zumachen-- auch in diesem System.
Ein anderer Schritt:
Abschaffung der Zensur. Es ist unerträglich, dass Gefangene, die wir
draußen alle lesen können, diese nicht bekommen oder Zeitungen, die
allgemein zugänglich sind.
Knäste sind erst
einmal Freiheitsentzug, dass Knäste immer
auch Umerziehungslager sein wollen, ist absolut unerträglich. Und
dies können wir auch schon hier und heute beenden.
…
Wir
haben ja im Verlauf des Gespräches beklagt, dass es so wenige
Ex-gefangene und Angehörige bei den AntiKnasttagen gab. Das müsste
eigentlich unser Ziel sein, dass sich mehr Ex-Gefangene und
Angehörige bei solchen Veranstaltungen einmischen.
A: Wir hatten mal
darüber geredet, dass – auch von dir – darüber gesprochen
wurde, dass viele Ex-Gefangene nichts mehr mit dem Thema Knast zu tun
haben wollen. Möglichst vergessen und nicht mehr daran erinnert
werden
Z: Na
ja, einerseits ist Verdrängung da aber zum anderen sind da bei
AntiKnasttagen verschiedene Kulturen dar, die aufeinanderprallen.
Die
„linke Szene“ ist eher bürgerlich geprägt mit ihren
Verhaltensweisen, während die meisten Gefangenen eher aus dem
subproletarischen Milieu kommen; und da ist es schon schwierig, sich
wohlzufühlen, in der Umgebung, beim und vom Essen, Trinken,
eigentlich von allem ne andere Welt ist, wahrscheinlich würden sich
die meisten dieser Linken in einer proletarischen Kneipe, wenn da ne
Veranstaltung wäre, wohl auch extrem unwohl fühlen.
Da sehe ich ein
großes Problem.
Es
wäre aber auch leicht zu ändern, indem wir sagen, o.k. für den
einzelnen Ex-Gefangenen und Angehörige ist es vielleicht schwierig
in einen so großen Rahmen zu gehen, aber sie könnten sich ja
sozusagen intern in den einzelnen Städten mal
als betroffenen treffen. Das Ziel: eine Gruppe zu finden von
ehemaligen Gefangenen und Angehörigen ohne erst einmal die „linke
Szene“ dabei zu haben; einfach die eigenen Erfahrungen
auszutauschen und die eigenen Vorstellungen zu entwickeln.
A: Was mich in
diesem Zusammenhang am meisten gestört hat, war so ne Aussage wie:
Ohne Theorie keine Praxis keine Revolution..
das mag die
Sozialisation von den Leuten sein, die so was ritualmässig runter
rasseln, ich habe eine andere Sozialisation:
nämlich durch z.B die
Niederschlagung von (Gefängnis-)Aufständen, also meine Bildung
läuft eher über diese Schiene..
und da denk ich ist ein großer
Graben.
Dein Vorschlag an
die Ex-gefangenen zu appellieren, und Angehörige mit einzubeziehen,
erscheint mir momentan noch ein bisschen schwierig in der
alltäglichen Praxis, wo es nur geringe Kontakte gibt oder nur
einzelne Leute bereit sind, dann auch nachher weiter zu machen.
Wie stellst du
dir das vor?
Z: In
dem Leute Kontakt zu uns aufnehmen, wir sind ja nicht so
szenetypisch, bei uns am Laden vorbeikommen (in Köln) oder uns
schreiben… Autonomes
Knastprojekt Elsaßstr. 34 50677 Köln oder Email:
autonomes-knastprojekt@riseup.net
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