"Der Einsatz muss im wahren Sinne des Wortes erschöpfend sein" (Oswald Pohl, SS-Wirtschaftsverwaltung 1942)
Die verachteten Opfer
„Anfangs gab es
nur politische Häftlinge, Sozialdemokraten, Kommunisten, christliche
und li-berale Politiker. Um sie in der Öffentlichkeit als
minderwertige Menschen zu diffamieren, wurden auch Kriminelle und
sog. 'Asoziale' ins Lager eingeliefert ".
So wurde in der
KZ-Gedenkstätte Dachau jahrzehntelang die Tafel der verschiedenen
Farben der Häftlingswinkel erläutert. Viele der sogenannten
Politischen teilten die Verachtung und Vorurteile der Nazis gegenüber
den sogenannten Asozialen. Der Sozialdemokrat Kautsky bezeichnete sie
als "willensschwache Menschen, die schon in der Freiheit jeden
moralischen Halt verloren hatten".
Eugen Kogon schrieb in seinem
Buch „Der SS-Staat", die „Asozialen“ hätten vom
(politischen) „ Häftlingsstandpunkt" als "unzuverlässig,
haltlos und wenig erwünscht" gegolten. Den wenigen
aus dem KZ
entlassenen „Asozialen“ unterstellte der Sachsenhausener
Lagerälteste Harry Naujoks - ohne jeden Beleg - sie hätten
"Verbindung zu höheren Nazistellen" gehabt. Fast
durchgängig wird ihnen eine „seelische Verwandschaft zur SS"
unterstellt. Offensichtlich wurden aufgrund der Vorurteile nur die
negativen Verhaltensweisen, die es sicherlich gab, wahrgenommen und
als gruppentypisch angesehen.
Es ist schon bei
fest umrissenen Gruppen fragwürdig, ein „gruppentypisches
Verhalten" zu definieren. Dies gilt umso mehr bei einer "Gruppe"
die gar keine war. Die einzige Gemeinsamkeit: Sie waren in den Augen
der Nazis „arbeitsscheu" . Das galt für den alten Bettler
genauso, wie für den Arbeiter der zweimal „blaugemacht"
hatte. „Zigeuner", unverheiratete Mütter (vor allem wenn sie
Kinder von mehreren Vätern hatten), „sexuell freizügige Frauen“,
„asoziale Grossfamilien“ - sie alle galten als asozial.
In den Berichten
„politischer Gefangener“wird geschildert, daß es in den Blöcken
der „asozialen" Häftlinge an Ordnung und hygienischer Pflege
gemangelt habe, daß es Probleme beim Bettenbau und der
Stubenreinigung gab. Teilweise wird ihnen sogar mangelhafte
Arbeitsleistung vorgeworfen.
(das erste Konzentrationslager für Bettler, 1933)
Beispiele:
Es ist wenig bekannt
geworden über die konkreten Menschen, die als "Asoziale"
verfolgt wurden. Als einzige Informationsquelle stehen die Akten der
Verfolger zur Verfügung. Im Folgenden nun einige Fälle aus diesen
Akten, damit deutlich wird, daß es um konkrete Menschen und nicht um
eine anonyme Gruppe geht.
„ E. ist ein
arbeitsscheuer Mensch. Er zieht planlos im Land umher und lebt vom
Betteln. Einer geregelten Arbeit ist er bisher noch nie nachgegangen.
Die Allgemeinheit muß vor ihm geschützt werden."
Der Bettler kam 1941
im KZ Gusen um.
„Die R. ist
eine Prostituierte und insgesamt 67mal vorbestraft. Hierbei handelt
es sich, mit wenigen Ausnahmen, um sittenpolizeiliche Delikte. Sie
ist nicht berufstätig, sondern geht der Gewerbsunzucht nach.
Dieserhalb bildet sie, da sie sich teils den Maßnahmen der
Gesundheitsbe-hörden entzieht, in bezug auf die Verbreitung von
Geschlechtskrankheiten, eine große Gefahr. Infolgedessen ist sie
daher im Hinblick auf Vorstrafen und Vorleben als asozial zu
bezeichnen.“
Die Frau starb 1944
im KZ Ravensbrück.
Als "asozial"
wurden aber auch junge Frauen, denen nicht unmittelbar Prostitution,
sondern - meist mit der Formulierung "treibt sich herum" -
nur wechselnde Männerbekanntschaften vorgeworfen wurden. So schrieb
das Duisburger Gesundheitsamt eine 19-jährige zur Fahndung aus:
„G. treibt sich
nach wie vor herum. Sie ist ohne feste Wohnung, den Eltern ist ihr
Aufenthalt nicht bekannt. Am 14.d.M. wurde sie abends in
Soldatenbegleitung in der Altstadt gesehen. Das Mädchen ist
unverbesserlich. Die Unterbringung in polizeilicher Vorbeugungshaft
erscheint nunmehr dringend erforderlich.“
Die junge Frau
starb im November 1942 in Ausschwitz, wohin sie im März 1942 vom KZ
Ravensbrück aus deportiert worden war.
„Nach dem in
Abschrift beigefügten Strafregisterauszug ist die Obengenannte seit
dem Jahr 1922 25mal vorbestraft, und zwar wegen Übertretung
sittenpolizeilicher Vorschriften, Betrugs, Unterschlagung,
Landstreichens, Meineids und Beleidigung. Wegen dieser Straftaten zu
mehr oder weniger hohen Freiheitsstrafen verurteilt, war sie außerdem
zweimal, 12 und 18 Monate, im
Arbeitshaus
Brauweiler untergebracht. Von 1935 bis 1943 stand die B. unter
sittenpolizeilicher Kontrolle. Einer nutzbringenden Beschäftigung
ist sie während dieser Zeit selten nachgegangen. Sie unterzog sich
nicht regelmäßig den erforderlichen amtsärztlichen Untersuchungen
und wurde dieserhalb, wie aus dem Strafregisterauszug zu ersehen ist,
mehrfach gerichtlich bestraft. Die B.ist nach ihrem kriminellen
Verhalten und ihrer Vorstrafen als asozial zu bezeichnen.“
Die
45jährige kam im September 1944 ins KZ Ravensbrück.
Erfassen - Sterilisieren - Vernichten
Die von den
Fürsorgeverbänden seit langem geforderten Wanderbücher hatten die
Funktion einer mitzuführenden Fürsorgeakte. Jeder ausgegebene
Teller Suppe wurde eingetragen. Hintergrund war damals wie heute die
Bekämpfung angeblichen Sozialmißbrauchs, d.h. die
„Fürsorgeverbände" hatten Angst, jemand könne sich zwei
Teller Suppe holen. Wanderer, die sich dieser strengen
Kontrolle
unterwarfen, wurden bis 1938 noch geduldet. Die Verfolgung richtete
sich in erster Linie gegen die „ ungeordneten Wanderer",
welche die Obdachlosenasyle mieden und lieber im Freien „Platte
machten". Wie trügerisch jedoch die Sicherheit der „braven"
Wohnungslosen, die sich unterwarfen und die Wanderbücher führten,
war, sollte sich 1938 zeigen
.
Die lückenlose
Erfassung und Kontrolle war unverzichtbare Voraussetzung für die
folgende Verfolgung und Vernichtung der Wohnungslosen.
Die vollständige
„Ausschaltung" der Wohnungslosen, die schließlich im Sommer
1938 begann, setzte einige Zwischenstufen voraus. Bereits 1929 hatten
die „Fürsorgeverbände" die Einführung von Wanderbüchern
gefordert, um die Wohnungslosen besser kontrollieren zu können. In
der Weimarer Republik war dies allerdings noch nicht durchsetzbar.
Sofort nach dem Machtantritt der Nazis bekamen die „Fürsorgeverbände"
aber ihren Willen.
"Sterilisation
vordringlich"
Von 1934 bis 1939
wurden allein im „Versorgungsheim" Farmsen, einem der vielen
knastähnlichen
Obdachlosenheimen,
1.143 Insassen (800 Männer und 343 Frauen) zwangssterilisiert. Es
gibt bislang keine Untersuchungen über die Gesamtzahl der
zwangssterilisierten Obdachlosen. Die Zahl dürfte jedoch reichsweit
bei mindestens 50.000 gelegen haben.
Grundlage war das
sogenannte „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses".
Beim Erbgesundheitsgericht hielt man im September 1934 „
insbesondere die Sterilisation von Prostituierten und Wanderern für
vordringlich".
Die
„Wohlfahrtsverbände" mit ihren sogenannten „
Versorgungsheimen" und „Arbeiterkolonien", die nichts
anderes waren, als knastähnliche Zwangsarbeitslager für Obdachlose,
spielten nicht nur mit, sondern sie lieferten die notwendige Logistik
für diese großangelegte Aktion. Schließlich hatten sie, nicht
zuletzt durch die von ihnen geforderten Wanderbücher, eine
lückenlose Kontrolle über die Obdachlosen, die sich ihnen
ausgeliefert hatten.
Direktor
Steigerthal, dem mehrere dieser Heime unterstanden, forderte kurz
nach Inkrafttreten des Gesetzes, dass „alle Insassen, die
ärztlicherweise für sterilisationsreif gehalten werden und die
Anstalt verlassen wollen, zwangsweise in den Wohlfahrtsanstalten
zurückgehalten werden, bis das Erbgesundheitsgericht entschieden
hat".
Neben den
Wohlfahrtsanstalten spielte die Abteilung „Wohnungslose und
Wanderer" bei der Fürsorgebehörde eine entscheidende Rolle bei
der Erfassung der Wanderer, die dann zwangssterilisiert werden
sollten.
Von der Bettlerrazzia zur Sicherungsverwahrung
Schon im ersten Jahr
ihres Machtantritts planten die Nazis ihre erste große Razzia gegen
Wohnungslose. Schon im Juli 1933 regte das wenige Wochen zuvor
gegründete Reichspropaganda-ministerium eine im ganzen Reich
einheitlich durchgeführte große Bettlerrazzia an, von der die
Wohlfahrtsverbände im August 1933 vorab unterrichtet wurden. Diese
erhoben keinen Widerspruch.
Propagandistisch wurde diese Razzia, die
schließlich Mitte September 1933 stattfand, gründlich vorbereitet.
Die Presse wurde mit 'Richtlinien' versorgt, in denen ein
ausdrücklicher, zynisch begründeter Zusammenhang zum gerade
begonnenen Winterhilfswerk hergestellt wurde. In diesen
Presserichtlinien heißt es unter anderem: "Weiterhin ist eine
planmäßige Bekämpfung des Bettelunwesens auch aus psychologischen
Gründen nicht zu unterschätzen. Wenn die oft in widerlich
aufdringlicher Weise aus egoistischen Zwecken öffentlich zur Schau
gestellte Not aus dem Gesichtskreis sowohl der werktätigen
Bevölkerung, aus auch der Fremden und Ausländer, verschwindet, so
wird damit ein gewisses Gefühl der Befreiung und Erleichterung, der
Festigung der Verhältnisse und des wirtschaftlichen Vorwärtskommens
gewährleistet."
Vom 18.bis 25.
September 1933 veranstaltete die Polizei, unterstützt von SA und SS,
im gesamten Reich eine sogenannte Bettlerwoche. Sie verhafteten
Zehntausende Bettler und Landstreicher -beziehungsweise Leute, die
für solche gehalten wurden. Allein in Hamburg wurden, teilweise
direkt aus den Herbergen heraus, etwa 1.400 Personen bei dieser
Razzia in „Schutzhaft" genommen. Die Presse lieferte durch
eine Reihe von Hetzartikeln die als notwendig erachtete
Rechtfertigung der Razzia.
Für die
Zehntausende, die im gesamten Reich zu bis zu sechs Wochen dauernden
Haftstrafen wegen Bettelns verurteilt wurden, reichten die
bestehenden Haftanstalten natürlich nicht aus. Man eröffnete
kurzfristig bereits geschlossene Haftanstalten und richtete an
einigen Orten spezielle Bettlerhaftlager ein. In den Elmshorner
Nachrichten erschien am 7.0ktober 1933 sogar ein Foto der im Lager
Meseritz gefangenen Bettler. 'Das erste Konzentrationslager für
Bettler' lautete die Überschrift. Die Zahl der Arbeitshausgefangenen
im Reich stieg von 1700 auf über 4000 Personen an. Ab 1934 wurden
die Strafbestimmungen gegen Bettler und Landstreicher erheblich
verschärft.
Aufgrund des neugeschaffenen §42d StGB, der „
Maßregeln zur Sicherung und Besserung" konnte eine zweite
Arbeitshauseinweisung bei Rückfalltätern auf unbestimmte Zeit, also
gegebenenfalls lebenslänglich erfolgen.
Soviel zur
Entstehungsgeschichte der sogenannten Sicherungsverwahrung, deren
Verschärfung auch heutzutage wieder gefordert wird.
„Aktion
Arbeitscheu Reich”
Durch die
Kriegsvorbereitungen war zwischen 1936 und 1938 die Arbeitslosigkeit
beseitigt und in einen Arbeitskräftemangel umgeschlagen. Das Jahr
1938 brachte deshalb ein ganzes Bündel von Zwangsarbeitsmaßnahmen:
unter anderem die allgemeine Dienstpflicht, Pflichtjahr für Mädchen,
Meldepflicht für Schulabgänger, „Unterstützungsarbeit" für
Arbeitslosengeldempfänger.
Bis 1938 wurden die
sogenannten „ geordneten Wanderer" , also diejenigen
Wohnungslosen, die sich der Kontrolle unterworfen hatten, geduldet.
Damit war jetzt Schluß. Jetzt wurde Jeder ohne festen Wohnsitz als „
asozialer Volksschädling" verfolgt. Dabei waren es beileibe
nicht nur Gestapo und SS, welche zur Hatz auf die Wohnungslosen
bliesen. Häufig ging die Initiative von Arbeitsamt,
Wohlfahrtsbehörde und Wohlfahrtsverbänden aus.
Wie sehr sich die
Nazis bei der Verfolgung der „Asozialen" auf diese
Institutionen verlassen konnten, zeigt ein Erlaß von Himmler aus dem
März 1938. Dort heißt es: „ Der Präsident der Reichsanstalt für
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat die Arbeitsämter
ange-wiesen, die arheitseinsatzmäßige Erfassung der Insassen von
Herbergen, Wandererarbeitsstätten und sonstigen Einrichtungen der
Wandererfürsorge notwendigen-falls durch polizeiliche Maßnahmen
sicherzustellen...".
Auch der Leiter der
Abteilung „Wohnungslose und Wanderer" beim Hamburger Sozialamt
regte ein hartes Durchgreifen gegen Wohnungslose an. So schrieb er
zur gleichen Zeit: „ Die sich ungefähr gleichgebliebene Zahl im
Polizeiasyl zeigt, daß sich immer noch eine ganze Reihe ungeordneter Elemente in Hamburg herumdrückt.Ich halte es für an der Zeit, in Zusammenarbeit
mit
den polizeilichen Stellen und dem Arbeitsamt hier Wandel zu schuften.
Es müssen die polizeilichen Vorschriften gegen diesen Kreis
verstärkt werden...".
Solche Forderungen
trafen auf offene Ohren. So planten in Berlin die obersten
Polizeistellen bereits den großen Schlag gegen die
"Arbeitssaboteure". Im März 38 griff zunächst die Gestapo
auf Befehl Himmlers zu. Kurz darauf wies Heydrich die ihm
unterstellten Kriminalpolizeileitstellen an: „Ohne Rücksicht auf
die bereits von Geheimen Staatspolizeiamt im März d.J. gegen
Asoziale sind unter schärfster Anwendung des Erlasses von 14.
Dezember 1937 in der Woche von 13. - 18. Juni 1938 aus jedem
Polizeileitstellenbezirk mindestens 200 männliche arbeitsfähige
Personen (asoziale)
in polizeiliche
Vorbeugungshaft zu nehmen.“
Bei den zwei von
Himmler und Heydrich veranlaßten Verhaftungsaktionen, die als
„Aktion Ar-beitsscheu Reich" bekannt wurden,
sind 1938 etwa 11.000 „Arbeitsscheue" verhaftet worden. Das
war im Vergleich zu den ersten großen Bettlerrazzien im September
1933 eine eher geringe Zahl. Doch während 1933 die große Mehrzahl
der Verhafteten mit ein paar Tagen Polizeihaft davon-kam,
verschwanden jetzt alle Verhafteten in Konzentrationslager. Nur im
Rahmen der sogenannten „Reichskristallnacht" hatte es eine
größere Verhaftungswelle gegeben.
Die „Asozialen"
stellten also neben den Juden die größte Häftlingsgruppe innerhalb
der KZ.s. .
Leben im KZ
Es ist wenig bekannt
geworden über das Leben der sogenannten „Asozialen" im KZ.
Dabei waren diese in einigen Konzentrationslagern die weitaus größte
Häftlingsgruppe. Im österreichischen Mauthausen waren circa 90% der
Gefangenen sogenannte „Asoziale". Im KZ Sachsenhausen waren
1938 von 8500 Gefangenen etwa 6000 sogenannte „Asoziale" . In
Buchenwald sah es ähnlich aus.
Klar ist, die
Gefangenen mit dem Schwarzen Dreieck wurden zu den härtesten und
gefährlichsten Arbeiten herangezogen.Die Todesrate unter den
sogenannten „Asozialen" war extrem hoch. „Vernichtung durch
Arbeit" lautete das Motto.
Nur ganz wenige der sogenannten
„Politischen" haben sich solidarisch mit dem Schicksal der
„Asozialen" auseinandergesetzt. Einer von ihnen war Alfred
Bunzol. Er schrieb über die Einlieferung der sogenannten „Asozialen"
in das KZ Buchenwald:
„Unsere Lagerbelegschaft stieg in diesen
Wochen gewaltig an. Wochenlang luden die Schubautos Hunderte von
neuen Opfern des Faschismus auf dem Ettersberg aus. Viele waren schon
verwundet von den Schlägen der Weimarer Polizei. Sie wurden so den
schwersten Arbeiten zugeteilt. Nun setzte sofort unsere
antifaschistische Arbeit unter diesen neuen Kameraden ein. Jeder von
uns erhielt den Auftrag, drei dieser Neuzugänge, die direkt aus der
sogenannten Freiheit kamen, über die Lage in Deutschland
auszufragen. Dadurch erfuhren wir allerhand aber die Stimmung der
Bevölkerung. Was die Arbeitsscheuen in Weimar von der Polizei noch
nicht bekommen hatten(gemeint sind hier Prügel) das wurde ihnen in
Buchenwald durch die SS in überreichlichem Maße zuteil. Man brachte sie in einem halbfertigen Gebäude,
der späteren Wäscherei,
unter. Niemand durfte sich ihnen nähern. Trotzdem haben wir Wege zu
ihnen gefunden , um sie zu informieren, wo sie sich befanden und wie sie sich zu verhalten haben.
Einige davon
hatten nämlich versucht, sich gegen die Mißhandlungen zur Wehr zu
setzen. Sie wurden kurzerhand erschossen."
Augenzeugenbericht: Die „ASO"-Aktion
Im Mai 1938 kommen
Gerüchte auf, daß die SS Pläne für industrielle Anlagen in der
Nähe des La-gers habe. Aus dem Baubüro heißt es, der Bau einer
Großziegelei sei in Aussicht genommen. Anfang Juni werden im Lager
Vorbereitungen zur Aufnahme von Zugängen getroffen. Die
Häftlingsbekleidungskammer wird bis in den letzten Winkel
vollgepackt. Wir erhalten Wäsche, Fußlappen und Holzschuhe,
sogenannte Holländer.
Die
Markierungsstreifen an Rock und Hose sind inzwischen abgeschafft und
durch kleine farbige, gleichschenklige Dreiecke ersetzt worden, den
sogenannten Winkel unter den die Häftlingsnummer aufgenäht werden
muß. Wir werden hellhörig, als neuer brauner Stoff für die
Markierung von Häft-lingskleidung angeliefert wird. Es sieht ganz
danach aus, als solle eine neue Häftlingskategorie ein-geführt
werden. Alle diese Anzeichen lassen darauf schließen, daß SS und
Gestapo eine neue Verhaftungskampagne eingeleitet haben. Gegen wen,
wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall könnte die Lagerkommandantur
dabei auch ihr Problem benötigter Arbeitskräfte für den neuen SS
Betrieb lösen.
Am 16. Juni 1938, in
später Nachtstunde, kommt ein großer Transport in Sachsenhausen an.
Von da an - eine Woche hindurch - müssen die Zugänge Tag und Nacht
aufgenommen werden. Insgesamt sind es fast 6000 Männer Die SS führt
sie unter der Bezeichnung „Asoziale" (AS0s). Sie erhalten
einen braunen Winkel. Jetzt gibt es an großen Häftlingskategorien
„Grüne", „ Rote" und „ Braune".
Später wird die
Farbe Braun für ASOs gegen Schwarz ausgetauscht.
Was waren das für
Menschen, die über Nacht als „Asoziale" ins Konzentrationslager verschlepp
worden waren? Unter
ihnen gab es Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und nichtor
ganisierte Arbeiter, die nach 1933 aus ihrem Betrieb hinausgeworfen worden und dann beim Bau der
Autobahnen untergekommen waren. Als sie dort für bessere Arbeitsbedingungen eintraten, wurden
sie wegen "Störung des Arbeitsfriedens" festgenommen.
Wer in der Weimarer Zeit an Zusammenstößen mit der SS und SA beteiligt war,wurde wegen " Rauf-handels", wen an vor jüdischen Geschäften stehenden SA-Männern vorbei- und ins Geschäft ging, wegen "Widerstandes" verhaftet.
Unter den Zugängen
befanden sich etwa 900 Juden. Es handelte sich vor allem um
Menschen, die gegen die von den Nazis erlassenen antijüdischen
Gesetze verstoßen hatten. Betroffene waren zum Beispiel Brautleute,
die ihre Verlobung nicht auflösen wollten und sich heimlich trafen.
Ins Lager kamen Zigeuner, weil sie Zigeuner waren; Bettler, auch wenn
sie einen festen Wohnsitz hatten; Landstreicher, weil sie keinen
festen Wohnsitz hatten; Zuhälter, wenn sie verdächtigt, aber nicht
über führt waren
und somit nicht dem Richter vorgeführt werden konnten.
Vorwand für die
Einlieferung ins Konzentrationslager konnte auch eine Strafe von
einem Monat Gefängnis sein oder eine Geldstrafe,die der
Gefängnisstrafe von einem Monat entsprach.Wer wegen Trunkenheit oder
als Prügelheld bestraft war, wer seine Alimente nicht regelmässig
bezahlte, wer sich überhaupt auf irgendeine Weise der Einordnung in
die „Volksgemeinschaft“ widersetzte, wer diesem oder jenem Nazi
nicht gefiel, konnte als „Asozialer“ festgenommen werden.
Hinzu kamen zerbrochene, am Leben verzweifelnde, kranke und
verkrüppelte Menschen, um die sich die soziale “Fürsorge hätte
kümmern müssen.
Die Zugänge
müssen sich in der Wäscherei entkleiden, werden dort geschoren - Kopf- und Schamhaare - und
registriert
.
Die Prozedur zieht sich endlos hin. Körperbehinderte, Geistesverwirrte, die jammernd ihre Unschuld beteuern,und protestierende Häftlinge werden sofort von SS -Leuten rasend verprügelt. Sie treiben uns zur Schnelligkeit an und erschweren selbst den zügigen Ablauf der Registrierung.
Als die ersten
hundert Zugänge nackt in der Baracke stehen, kommt Lagerkommandant Baranowski und
läßt sie in die Nacht hinaustreten. Draußen steht der Bock.
Baranowski bestimmt zehn Häftlinge, die nacheinander ausgepeitscht werden. Die Neuen sind starr vor Entsetzen. nur das Schreien der Gemarterten gellt
uns in den Ohren. Ist das Opfer bewußtlos
geworden, hört man nur noch den Ochsenziemer auf den Körper klatschen.
Baranowski läßt kaltes Wasser bringen, womit die Besinnungslosen übergossen werden.
Baranowski läßt kaltes Wasser bringen, womit die Besinnungslosen übergossen werden.
Dann
verkündet er, daß diese Strafe
künftig bei dem geringsten Vergehen verhängt werde.
Bei jedem dieser
neu eintreffenden Transporte wird eine solche Abschreckung veranstaltet; willkürlich ausgesuchte Opfer erhalten 25 Stockhiebe.
Auch wenn Baranowski nicht dabei ist, wird den Zugängen das Auspeitschen vorgeführt.
Die Opfer werden durch Abzählen ausgesucht mal jeder zehnte, mal jeder fünfte
oder auch und zwanzigste.
oder auch und zwanzigste.
So
wiederholt es sich,und die Neuen, von Entsetzen erfaßt, laufen
zurück in die Wäscherei
In diesem Chaos ist es uns unmöglich, auch nur annähernd passende Kleidung und Schuhe auszugeben. So laufen viele in zu großen oder zu kleinen Sachen herum,werden zum Gespött oder zum Spielball der SS. Zum Schluß ist die Häftlingsbekleidungskammer leergefegt. Es kann also nichts getauscht werden. Am schlimmsten ist es mit den Schuhen, die nur in wenigen Fällen passen. Schon nach einigen Tagen sind die Füße wund. So läuft mancher lieber barfuß.
Die Blockältesten versuchen, Schuhe und Kleidung gegenseitig austauschen zu lassen. Das macht aber Schwierigkeiten, weil mancher glaubt, sich dadurch etwas Schlechteres einzuhandeln. Bald entwickelt sich ein reges Tauschgeschäft, das mancher Geschäftemacherei den Weg freigibt. In diesem Maßstab ein neue Problem für uns, das uns noch manches Kopfzerbrechen bereiten wird.
Ein weiteres Problem, das die Verhältnisse im Lager wesentlich veränderte, war die Unterbringung der 6000 Neuen.Die Wohnbaracken waren für je 146 Mann vorgesehen. Die Blocks des ersten und einige de zweiten Ringes blieben vorläufig mit dieser Stärke belegt.
Aber die Baracke des dritten und vierten Ringes wurden jetzt als Massenblock
In diesem Chaos ist es uns unmöglich, auch nur annähernd passende Kleidung und Schuhe auszugeben. So laufen viele in zu großen oder zu kleinen Sachen herum,werden zum Gespött oder zum Spielball der SS. Zum Schluß ist die Häftlingsbekleidungskammer leergefegt. Es kann also nichts getauscht werden. Am schlimmsten ist es mit den Schuhen, die nur in wenigen Fällen passen. Schon nach einigen Tagen sind die Füße wund. So läuft mancher lieber barfuß.
Die Blockältesten versuchen, Schuhe und Kleidung gegenseitig austauschen zu lassen. Das macht aber Schwierigkeiten, weil mancher glaubt, sich dadurch etwas Schlechteres einzuhandeln. Bald entwickelt sich ein reges Tauschgeschäft, das mancher Geschäftemacherei den Weg freigibt. In diesem Maßstab ein neue Problem für uns, das uns noch manches Kopfzerbrechen bereiten wird.
Ein weiteres Problem, das die Verhältnisse im Lager wesentlich veränderte, war die Unterbringung der 6000 Neuen.Die Wohnbaracken waren für je 146 Mann vorgesehen. Die Blocks des ersten und einige de zweiten Ringes blieben vorläufig mit dieser Stärke belegt.
Aber die Baracke des dritten und vierten Ringes wurden jetzt als Massenblock
mit jeweils etwa 400
Häftlingen eingerichtet. Im Schlafsaal mußte man sich helfen,
indem die
Bettgestelle ausgeräumt und halbgefüllte Strohsäcke auf die Erde
gelegt
wurden. Auch alle
anderen Einrichtungegenstände wie Tische, Hacker, Spinde waren
für 146 Mann
bestimmt. Sie wurden jetzt von zweieinhalb- bis dreimal mehr Menschen
benutzt. In einem
Spind, vorgesehen für einen Mann, in dem sich zur Not noch zwei
einrichten konnten, mußten nun vier oder fünf Menschen versuchen,
ihre Sachen unterzubringen.
An einem Tisch, der
normalerweise für zwölf bis vierzehn Mann Platz bot, mußten jetzt
dreissig Männer und mehr um einen Platz kämpfen. Wer alt, krank
oder langsam war, kam überall beim Wettlauf nach dem Trinkbecher,
der Eßschüssel oder dem Löffel ins Hintertreffen.
Bei jeder Mahlzeit
gab es ein fürchterliches Gedrängel in den schmalen Gängen vor den
Spin-
den. Man griff zur
nächsten erreichbaren Eßschüssel und zum Löffel. Die Letzten
blieben mit leeren
Häinden zurück, warteten, bis jemand seine Schüssel geleert hatte.
Blockälteste,die
verantwortungsbewußt waren, hielten immer einige Essgeschirre für
den Not-
fall bereit. Den
Zustand ändern konnten sie jedoch nicht. Die Brotrationen mit den
dazugehörigen
25 Gramm Margarine
oder Blut-oder Leberwurst wurden meist sofort im Stellen
verschlungen.
Etwas für den
nächsten Tag zurückzulegen, war unmöglich.Man stand dichtgedrängt
im Tagesraum
herum, immer darauf
bedacht, vielleicht doch einen Sitzplatz zu erkämpfen. Bei
einigermaßen trockenem Wetter zogen die Neuen durchs Lager, um
irgend etwas zu ergattern, eine Zigarettenkippe,eine rohe Kartoffel;
oder sie wühlten in den Küchenabfällen nach irgend etwas
Eßbarem, nach
Kartoffel-oder Rübenschalen oder Gemüseresten. Jeder Knochen wurde,
obwohl bis zum letzten ausgekocht, nochmals abgenagt.
Jeden Morgen begann
ein Kampf um Röcke und Hosen. Am schlimmsten war es mit Schuhen.
In dem ständigen
Chaos passierte es immer wieder, daß Schuhe verlorengingen oder
jemand
zwei linke oder zwei
rechte Schuhe erwischte. Fusslappen oder Strümpfe gingen überhaupt
verloren. Wer dann barfuss in den derben Schuhen gehen musste, lief
sich immer wieder die Füße wund.Blutende und eiternde Wunden waren
die Folge. Dann wurden Handtücher oder Wäsche zerrissen und um die
Füße gewickelt. Wer damit aber bei der Kontrolle erwischt wurde,
bekam erbarmungslos Prügel.
(Die berüchtigte "Todesstiege" des KZ Mauthausen, über die Häftlinge schwere Granitsteine aus dem Steinbruch schleppen mussten.)
"In Mauthausen war es sehr schlimm. Ich mußte im Steinbruch - er hieß Wiener Graben - Sklavenarbeit leisten und zusammen mit anderen Häftlingen, darunter viele Kinder, tagtäglich Steine schleppen. Es war Winter, und wir trugen Holzschuhe ohne Strümpfe. Die Kälte war kaum auszuhalten, und immer wieder mußten wir die berüchtigte Todesstiege hoch. Manch einer hat sich von oben in die Tiefe gestürzt. weil er es nicht mehr aushalten konnte. Oft haben die SS-Männer entkräftete Häftlinge in die Tiefe gestoßen. In Mauthausen habe ich einen Finger an der Spitzma-schine verloren, wo die Steine gebrochen wurden. Da wir keine Handschuhe trugen, hatte ich vor Kälte überhaupt kein Gefühl mehr in den Händen. Später mußte ich auf dem Bahnhof Zementsäcke tragen. Dabei habe ich mir eine leere Tüte organisiert und sie mir ins Kreuz unter den Häftlingsanzug gelegt, weil ich Schmerzen hatte. Als der Scharführer dies beobachtet hat, hat er mir 25 Hiebe gegeben - bloß wegen einer kaputten Tüte. Mißhandlungen und Willkür waren an der Tagesordnung. Einmal wurde ich mit nach hinten gestreckten Armen an einen Pfahl gehängt: eine der grausamen Foltermethoden, die sich die SS für uns Häftlinge ausgedacht hat."
(Anton Bomberger )
Frische Wasche gab
es in der Wäscherei nur im Tausch, Stück gegen Stück. So hatten
die Wäsche-und Häftlingsbekleidungskammer sowie die Schneiderei
vollauf zu tun, das Defizit auf eigene Faust und mit edigenen Mitteln
irgendwie wieder auszugleichen.
Ganz schlimm war es
in den ersten Wochen. Es gab nicht genug Mützen, so daß hunderte
von Häftlingen den ganzen Tag in der prallen Hitze ohne
Kopfbedeckung blieben.
Viele bekamen den
Sonnenbrand, und da nichts dagegen unternommen wurde, bildeten sich
Blasen, die Haut
löste sich, und die Sonne brannte auf das rohe Fleisch.
Der Kopf schwoll zur Unförmigkeit an, die Augen
quollen zu, so daß die betroffenen Häftlinge
von anderen geführt werden mußten. Um sich
vor Sonnenbrand zu schützen, wickelten sich die kranken Häftlinge
Handtücher um den Kopf.
Als
Lagerkommandant Baranowski eines Tages die beturbanten Köpfe
entdeckte, bekam er einen Wutanfall. Schreiend stürzte er sich mit
seinen SS - Leuten auf die kranken Männer und schlug sie zusammen
Auf Befehl der
Lagerführung durfte tagsüber ausser dem Stubendienst kein Häftling
den Block betreten. Hielt nun der Blockälteste diesen kranken
Menschen in der Baracke zurück, kamen die SS-Blockführer und
prügelten alle, die Kranken, den Blockältesten und den Stubendienst
aus der Baracke. Sie ließen sie rollen, hüpfen und stundenlang vor
dem Block sitzen.
( Steinbruch Mauthausen... an der Todesstiege )
Normalerweise wusch
sich jeder Häftling mit entblößtem Oberkörper. Wenn es auch immer
eilig
ging und der Platz
beengt war, man konnte sich waschen und die Zähne putzen. Das
änderte sich aber für die Häftlinge in den Massenblocks. An den
Waschfontänen konnte sich in der zur Verfügung stehenden Zeit nur
ein Bruchteil der Blockbelegschaft einen Platz ergattern. Seife und
Zahnputzmittel mußten in die Tasche gesteckt werden. Legte man etwas
aus der Hand, war es blitz-schnell verschwunden.
Je beschwerlicher
das Waschen wurde, um so mehr drückte man sich davor Wo kontrolliert
wurde, ob die Handtücher auch zum Abtrocknen benutzt worden waren.
lieferte irgendein Wasserhahn die zur Tarnung nötige Feuchtigkeit.
Besonders schlimm war, daß die Klobecken auch nicht annähernd
ausreichten. Vor jedem Klo bildete sich ständig eine Schlange, aus
der beschwörend oder schimpfend zur Eile angetrieben wurde.
Die ständig
auseinanderstrebende Masse der Häftlinge mußte jedoch so
zusammengebracht werden, daß sie rechtzeitig und vollzählig zum
Appell antreten konnte. Das verlangte eine viel stärkere Auf
merksamkeit vom Stubendienst als bisher. Alles im Lager war dem
Zählappell untergeordnet und mußte zurückstehen. An einen
Bettenhau in der bisherigen Form war in den Massenblocks nicht mehr
zu denken. Strohsäcke und Decken mußten zwar ordentlich
auseinandergelegt werden, aber das besorgte in erster Linie der
Stubendienst. Nicht einmal den SS -Blockführern. die die Leute den
ganzen Tag im Lager hin- und hertrieben und auf sie einschlugen,
gelang es, sich die apathische und widerspenstige Masse von Menschen
gefügig zu machen.
Beim Ausschachten
des Kellers für die Kantinenbaracke wurden dann mehr als 2000
Häftlinge eingesetzt. Ein großer Teil der Häftlinge mußte eine
Kette zum Abtransport der Erde bilden. Der Rock wurde verkehrt, mit
dem Rücken nach vorn angezogen und so gehalten, daß eine Schaufel
Sand aufgenommen und an eine entferntere Stelle getragen werden
konnte. So ging das im ermüdenden Zug durch knöcheltiefen Sand, den
ganzen Tag im Kreis herum. In Abständen standen Häftlinge, die
darauf achten mußten, daß das Tempo eingehalten wurde. Kamen
Blockführer und versuchten, mit Knüppeln und Fußtritten zum
Laufschritt anzutreiben, ließen die Nächststehenden den Sand fallen
und liefen auseinander
Die Blockführer
gaben bald auf und machten dann Jagd im Lager auf bestimmte
Häftlinge, die sie für interessante Typen hielten. Da waren zum
Beispiel der größte Häftling, mehr als zwei Meter groß, der
kleinste Häftling, 1,18 Meter. Auf Anweisung von Baranowski mußten
die beiden immer zusammenbleiben. Sie schliefen zusammen; wenn der
eine zum Klo mußte, stand der andere daneben. Wohin sie auch immer
gingen, was sie auch immer taten - sie durften sich nicht trennen.
Eine zeitlang beschäftigten sich die SS-Blockführer mit ihnen, bis
es ihnen langweilig wurde und die beiden Ruhe hatten. Ein anderer,
auch über zwei Meter großer Mann, hatte eine ungewöhnliche
Rückgratverkrümmung. Das erweckte das Interesse der SS - Ärzte,
und es dauerte nicht lange, dann hatten sie sein Skelett in der
Anatomie zur Ansicht ausgestellt.
( Steinbruch Mauthausen... an der Todesstiege )
Die Schwierigkeiten
des Lagerlebens im Sommer 1938 wurden noch vermehrt durch viele
Körper-
behinderte,
Epileptiker, Geistesverwirrte und eine große Zahl schon in den
ersten Tagen Erkrankter Im Krankenhaus wurden sie nicht aufgenommen.
Ein Arbeitskommando gab es nicht für sie.
Im Block durften sie
sich auch nicht aufhalten. So drückten sie sich im Lager herum und
regten
durch ihre
Hilflosigkeit in besonderem Maße den Sadismus der SS-Leute an. Um
diese Menschen dem Blickfeld der SS zu entziehen, erfand die
Häftlingsschreibstube eine Notlösung.
Der 1. Lagerälteste,
Oskar Müller, faßte alle im Augenblick nicht arbeitsfähigen
Häftlinge in einem
Kommando zusammen
und unterstellte sie dem 3. Lagerältesten, Hans Dzuber. Hans, ein
Hambur-
ger Genosse, nahm
einen noch nicht belegten Barackenkeller in Anspruch, besorgte
Ziegelsteine
und Bretter, die er
zu Sitzgelegenheiten machte und setzte das ganze Kommando in den
Keller,
der wenigstens
wettergeschüzt war. Als Arbeitsmaterial wurden rote Ziegelsteine in
Stücke ge-
schlagen und durch
Aneinanderreihen pulverisiert. Das sollte ein Putzmittel für unsere
Eßbestecke
sein.
Die SS sprach von
dieser Kellerbelegschaft nur als vom „ Dachschadenkommando".
Die meisten
SS-Leute, die dort
eindringen wollten, kehrten schon an der Tür wieder um. Es war nicht
nur das
Bild der Kranken,
sondern der Gestank und die staubige Luft, die ihnen entgegenschlug.
Viele dieser Häftlinge litten an Darmkrankheiten. Überall lagen
Menschen auf dem nassen Zementfußboden. Vor Entkräftung
zusammengebrochen, wälzten sie sich im eigenen Kot.
Andere saßen
lächelnd vor sich hinstarrend und lallten unverständliche Worte.
Einer stand auf
einem Ziegelhaufen
und redete über seine Heldentaten bei den Kämpfen in
Südwest-Afrika. Ein
anderer rief
stundenlang, ununterbrochen mit lauter monotoner Stimme: „ Oh, oh,
ooh, ich habe ja
gar nichts getan.
Das war ja der große Hamburger Oh, oh, ooh, ich habe ja gar nichts
getan. Das war ja der große Hamburger"
Wieder andere stritten sich um Kleinigkeiten.
Es war ein
herzzerreißendes Bild. Jeden Tag starben Menschen in diesem
Elendskeller Erst nach und nach gelang es, diese Leute bei den
Kartoffelschälern, Gemüseputzern, Strumpfstopfern und bei anderen
leichter Arbeitenden unterzubringen. Das Kellerkommando wurde langsam
kleiner und konnte auch sonst besser versorgt werden.
In der Zeit der ASO-Aktion kam von höheren Dienststellen die Anweisung, daß ab I.
Juli 1938 in den Sterbeurkunden auch die bzw. eine Todesursache
angegeben werden mußte. Von 1936 bis zu diesem Zeitpunkt geschah das
nicht. Bei Häftlingen, die den Tod durch Gewaltmaßnahmen der SS
fanden, wurde aber nicht die wahre Todesursache angegeben. Da hieß
es dann: Herzkranzgefäßverkalkung, Lungenentzündung,
Blutvergiftung, Magenkrebs, Wassersucht, Darmerkrankung usw .
In der
Anatomie hing später eine Tafel, auf der die Namen von Krankheiten vermerkt waren,
die
als Todesursache angegeben werden konnten. Anfangs konnten Familien
ihre Toten überführen lassen. Es gab auch Falle, in denen der Tote
in der Garage vor dem Lagertor aufbewahrt und für die Besichtigung
durch Angehörige freigegeben wurde. Da das aber zu Komplikationen
führte, wenn die Angehörigen Anzeichen von Gewaltanwendung
entdeckten oder gar ihren Toten nicht wiedererkannten, wurde in der
Folge der Familie nur noch die Asche des Toten zugestellt.
---- ENDE DES ERSTEN TEILES ----
** Im zweiten Teil: Die vergessenen Lager (PrivatKz usw.), Zigeunerlager, Verfolgung "asozialer" Frauen**
G.L.
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