"Ich glaube an die Gerechtigkeit in meinem Land, spaßt der Staatenlose."
0 = mise en examen (Einleitung des Verfahrens)
Im Februar 1981 wurden drei Gefangene, dabei Serge Coutel, in einer spektakulären Aktion mit einem Hubschrauber aus dem Knast Fleury-Merogis, dem grössten Knast Europas, befreit.
Im Gefängnis von
Fleury-Mérogis waren u.a. Jacques Mescrine und Aktivisten der
„Action directe“ inhaftiert. Sie wurden einige Tage später allerdings
wieder festgenommen und zu weiteren mehrjährigen Strafen
interniert. Diese Zeit beschrieb Serge Coutel in seinem Buch „ L‘
envolée“ (rasanter Anstieg), das 1985 erschienen ist.
"L'envolée" heisst auch die heute noch existierende Antiknastzeitschrift, die 2001 gegründet wurde. Die "meist zensierte Zeitschrift Frankreichs, ja Europas"(Le Canard enchainée)
Er schreibt weiter Romane, Theaterstücke. Im Jahr 2002 schrieb er: La Politesse des foules (Die Höflichkeit der Menge), eine grausam-komische Farce, mit "dem Durst nach Freiheit und dem Hunger nach Gerechtigkeit", das von Bewohner*innen des Departments Dreux im Tal der Loire aufgeführt wird.
Seit 1996 lebt Abdel Hafed illegal in Frankreich, "sozial stranguliert" ohne Möglichkeit der Re-Integration. "Alles was das System zu bieten hat, ist ein fortwährendes Recycling als Gefangener."
Abdel Hafed Benotman bleibt "unbotmässig", akzeptiert weiterhin nicht die angebotenen Spielregeln der Unterwerfung, dem Anbieten an die Herrschenden noch dem Ausrauben anderer Armen, er sucht sich -als ehrbarer Dieb - die Orte, wo es sich im Überfluss befindet --- 2003 beginnt er wieder Banken zu überfallen.. seinen letzten, bei der Banque Barclays in Neuilly, einem Vorort von Paris,verlässt er mit 18 000 Euro zu Fuss auf ausgesucht roten Krücken....
(Barclays in Neuilly)
Von 2004 bis 2007 sitzt er wegen insgesamt 22.000 Euro wieder mal im Gefängnis.Er verbringt die Zeit in Fresnes zusammen mit Jean-Marc Rouillan von der "Action Directe."
Danach begann ein neues Kapitel im Leben von Abdul Hafed. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Francine bauen sie sich ein kleines Restaurant auf, immer in der Gefahr lebend, abgeschoben zu werden, nur wenige Schritte vom George Brassens Park im 15.Arrondissement entfernt, dem Liedermacher und Anarchisten, der mit seinem Lied " La Mauvaise Reputacion" sicher auch ihn besungen haben könnte.
Am 20.Februar 2015 stirbt Abdel Hafed Benotmann, seine administrative Situation und vor allem das Herzleiden, das ihm im Gefängnis zugefügt wurde (s.o.), hatten seine Gesundheit ein Jahrzehnt lang bedroht....
Die Hälfte seines Lebens hat er in den französischen Gefängnissen verbracht.
Am 28.Februar 2015, um 12.40 begleiten ihn seine Gefährt*innen und Freunde auf den Friedhof von Ivry-sur-Seine.
*
**http://eipcp.net/transversal/1014/Benotman/Gefaegnis_Schreiben
*
"L'Envolée" erscheint viermal im Jahr. Sie veröffentlicht Briefe der Gefangenen, Berichte von Gerichtsverhandlungen und Analysen der Gesellschaft und ihrer
Gesetze.
Die Zeitschrift wird von ehemaligen Häftlingen und Angehörigen gemacht, die Texte aus dem Gefängnis und gegen das Gefängnis veröffentlicht. Gefangene beschreiben dort ihr tägliches Leben, prangern die Haftbedingungen, kämpfen gegen die Isolation.
"L'Envolée" möchte die Stimme der Gefangenen sein, sind aber nicht deren Sprecher. Denn die Gefangenen sind diejenigen, die immer die Experten sind, mehr als Journalisten, Soziologen, Kriminologen oder auch Aktivistis draussen sein können.
Die Zeitschrift erweitert die Arbeit von einigen Antiknast-Radioprogrammen, die so eine Verbindung zwischen dem Inneren und Äusseren von Gefängnissen ausserhalb der Kontrolle der Gefängnisverwaltung aufrechterhalten
Und es war ein Radioprogramm, das den Anstoss für u.a. die Zeitschrift gegeben hat.
https://lenvolee.net/category/emissions-de-radio/
"Das Abenteuer von L'envolée begann mit dem Rundfunk.Ich war im Gefängnis jahrelang Korrespondent für das anarchistische Radio Libertaire. Ich schickte Texte, keine Zeugenberichte, sondern Meinungen... wir haben dann zunächst ein Jahr lang bei Radio Libertaire mitgemacht.
https://www.radio-libertaire.net
Ein Freund, der in den französischen Gefängnissen von mir gehört hatte, tat sich mit mir zusammen und wir trafen die Entscheidung, L'Envolée zu gründen. Das war eine Hommage an Serge Coutel (s.o.) und der Vorspann unserer Sendung war der Sound eines startenden Hubschraubers. "L'envolée" war jeden Freitag auf der Frequenz Paris pluriel, auf 106,3, zu hören......
wir bemerkten, dass wir damit zwar in Paris, aber nicht in der Provinz zu hören waren. Francine meinte also, das es gut wäre, eine Zeitschrift zu gründen, um die Provinz zu erreichen.Und das taten wir dann auch, um in Marseille und allen anderen Städten in Frankreich Verbreitung zu finden, dort, wo wir nicht gehört werden konnten.."(**)(Abdel Hafed Benotmann)
------
"Ca ne valait pas la peine mais ca valait le coup...."
Abdel Hafed Benotman, 1960 als Sohn algerischer Eltern im 6. Bezirk von Paris geboren, machte schon früh Bekanntschaft mit dem französischen Strafsystem.
"Mit dem Beginn des kulturellen und ökonomischen Aufstiegs des 6.Arrondissement hatten wir eigentlich nicht mehr die Mittel, um dort zu leben... Mein Vater war Arbeiter und im Quartier lebten bis dahin kleine Beamt*innen und Kleinhändler, einige Kunsthandwerker. Beide Elternteile und vier Kinder waren in einem HLM (=habitation à loyer modéré/Sozialwohnung) untergebracht.Nun wurden wir von der Entwicklung überrollt...Mein Vater hielt durch und schnallte uns - bei sich beginnend - die Gürtel enger."
Abdel war damit nicht einverstanden und wird mit 15 zum Dieb.("Ich habe mich dafür entschieden. Ich bin kein soziales Opfer"). und zum Händler.. Alles was er klaute, verkaufte er an seine Klassenkamerad*innen, die im Gegensatz zu ihm Taschengeld hatten.
"Wir waren in unserem Wohnblock die einzige maghrebinische Arbeiterfamilie, alle anderen waren Französ*innen oder Europäer*innen..."
Mit 16 kommt er nach zum ersten Mal nach Fleury-Merogis.
Nach seiner Entlassung schlug er- nun als Illegaler - sich mit Gelegenheitsjobs durch.
Seine Eltern hatten sich 1962 entschlossen, die algerische Staatsangehörigkeit anzunehmen, um irgendwann nach Algerien zurückkehren zu können. So wurden ihre Kinder automatisch zu Algerier*innen.Nach der Haft konnte Abdel aber nicht abgeschoben werden, weil da noch das Geburtsortprinzip existierte. Die französische Staatsangehörigkeit zu bekommen, konnte er nun aufgrund seiner Vorstrafe allerdings vergessen.
Doch 1979 fand er sich im Gefängnis wieder. Sein erster Bankraub lief schief und er wurde zuerst in das Strafgefängnis von Clairvaux gebracht.
(Knast von Clairvaux. Hier ein Bild des Gefangenenaufstandes 2003)
"Es war meine erste grosse Strafe. Wir hatten damals keine Fernseher in den Zellen und die Besuchszimmer waren mit Sprechmembranen ausgestattet. Es gab nur sehr wenig physischen Kontakt, nur mit unseren Müttern, die durften wir umarmen. Ich sagte mir:`Du bist zwischen vier Wänden eingesperrt.Die Tür ist verschlossen und an den Fenstern sind Gitter. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du brichst aus und zwar richtig, das heisst, die Gitterstäbe durchsägen und einen Tunnel graben, oder du findest einen Hinterausgang.`Und da kam die Lust am Schreiben und an Büchern (wieder) auf."
Er begann sich Bücher aus der Bibliothek zu hören, las alles, was er kriegen konnte: Nietzsche, Hugo, Tschechow, Dostojewski - und er verweigerte sich dem Arbeitszwang.
"Ich bin der Arbeit gegenüber feindlich und unempfänglich, ob nun im Gefängnis oder draussen...Im Gefängnis habe ich nie gearbeitet.War die Arbeit verpflichtend, ging ich in Einzelhaft... im Gefängnis wird ein Subproletariat geschaffen, das für den Reichtum in der Region beiträgt. Während sich die Unternehmer, Bürgermeister*innen und Regionalräte bei jedem neuen Gefängnis die Hände reiben, bleiben die Gefangenen arm.
Ich sage nicht, daß diejenigen, die im Gefängnis arbeiten, Dummköpfe sind. Sie haben keine Wahl.Wenn sie essen wollen, dann haben sie Interesse, zu arbeiten, vor allem in den gegenwärtigen Gefängnissen, die halb privatisiert sind.... Ich bin einem System gegenüber feindlich eingestellt, in dem das Justizministerium eine Broschüre mit Angeboten für Unternehmen herausgeben kann. ..damit wird klar, daß es sich bei den Gefangenen um eine permanent vor Ort verfügbare und der Fron ausgelieferte Population handelt, die kein Recht auf Streik hat und die man loswerden kann, ohne ihr Arbeitslosengeld zu bezahlen ...die im Falle eines Arbeitsunfalls ohne Entschädigung entlassen wird ..."
Er nimmt stattdessen an einer Schreibwerkstatt, an einem Theaterworkshop teil.
https://lenvolee.net/category/emissions-de-radio/
"Das Abenteuer von L'envolée begann mit dem Rundfunk.Ich war im Gefängnis jahrelang Korrespondent für das anarchistische Radio Libertaire. Ich schickte Texte, keine Zeugenberichte, sondern Meinungen... wir haben dann zunächst ein Jahr lang bei Radio Libertaire mitgemacht.
https://www.radio-libertaire.net
Ein Freund, der in den französischen Gefängnissen von mir gehört hatte, tat sich mit mir zusammen und wir trafen die Entscheidung, L'Envolée zu gründen. Das war eine Hommage an Serge Coutel (s.o.) und der Vorspann unserer Sendung war der Sound eines startenden Hubschraubers. "L'envolée" war jeden Freitag auf der Frequenz Paris pluriel, auf 106,3, zu hören......
wir bemerkten, dass wir damit zwar in Paris, aber nicht in der Provinz zu hören waren. Francine meinte also, das es gut wäre, eine Zeitschrift zu gründen, um die Provinz zu erreichen.Und das taten wir dann auch, um in Marseille und allen anderen Städten in Frankreich Verbreitung zu finden, dort, wo wir nicht gehört werden konnten.."(**)(Abdel Hafed Benotmann)
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1 = enquétes en cours (laufende Untersuchungen)
"Ca ne valait pas la peine mais ca valait le coup...."
Abdel Hafed Benotman, 1960 als Sohn algerischer Eltern im 6. Bezirk von Paris geboren, machte schon früh Bekanntschaft mit dem französischen Strafsystem.
"Mit dem Beginn des kulturellen und ökonomischen Aufstiegs des 6.Arrondissement hatten wir eigentlich nicht mehr die Mittel, um dort zu leben... Mein Vater war Arbeiter und im Quartier lebten bis dahin kleine Beamt*innen und Kleinhändler, einige Kunsthandwerker. Beide Elternteile und vier Kinder waren in einem HLM (=habitation à loyer modéré/Sozialwohnung) untergebracht.Nun wurden wir von der Entwicklung überrollt...Mein Vater hielt durch und schnallte uns - bei sich beginnend - die Gürtel enger."
Abdel war damit nicht einverstanden und wird mit 15 zum Dieb.("Ich habe mich dafür entschieden. Ich bin kein soziales Opfer"). und zum Händler.. Alles was er klaute, verkaufte er an seine Klassenkamerad*innen, die im Gegensatz zu ihm Taschengeld hatten.
"Wir waren in unserem Wohnblock die einzige maghrebinische Arbeiterfamilie, alle anderen waren Französ*innen oder Europäer*innen..."
Mit 16 kommt er nach zum ersten Mal nach Fleury-Merogis.
Nach seiner Entlassung schlug er- nun als Illegaler - sich mit Gelegenheitsjobs durch.
Seine Eltern hatten sich 1962 entschlossen, die algerische Staatsangehörigkeit anzunehmen, um irgendwann nach Algerien zurückkehren zu können. So wurden ihre Kinder automatisch zu Algerier*innen.Nach der Haft konnte Abdel aber nicht abgeschoben werden, weil da noch das Geburtsortprinzip existierte. Die französische Staatsangehörigkeit zu bekommen, konnte er nun aufgrund seiner Vorstrafe allerdings vergessen.
Doch 1979 fand er sich im Gefängnis wieder. Sein erster Bankraub lief schief und er wurde zuerst in das Strafgefängnis von Clairvaux gebracht.
(Knast von Clairvaux. Hier ein Bild des Gefangenenaufstandes 2003)
"Es war meine erste grosse Strafe. Wir hatten damals keine Fernseher in den Zellen und die Besuchszimmer waren mit Sprechmembranen ausgestattet. Es gab nur sehr wenig physischen Kontakt, nur mit unseren Müttern, die durften wir umarmen. Ich sagte mir:`Du bist zwischen vier Wänden eingesperrt.Die Tür ist verschlossen und an den Fenstern sind Gitter. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du brichst aus und zwar richtig, das heisst, die Gitterstäbe durchsägen und einen Tunnel graben, oder du findest einen Hinterausgang.`Und da kam die Lust am Schreiben und an Büchern (wieder) auf."
Er begann sich Bücher aus der Bibliothek zu hören, las alles, was er kriegen konnte: Nietzsche, Hugo, Tschechow, Dostojewski - und er verweigerte sich dem Arbeitszwang.
Wir
sind nicht im Knast, um zu arbeiten!
"Ich bin der Arbeit gegenüber feindlich und unempfänglich, ob nun im Gefängnis oder draussen...Im Gefängnis habe ich nie gearbeitet.War die Arbeit verpflichtend, ging ich in Einzelhaft... im Gefängnis wird ein Subproletariat geschaffen, das für den Reichtum in der Region beiträgt. Während sich die Unternehmer, Bürgermeister*innen und Regionalräte bei jedem neuen Gefängnis die Hände reiben, bleiben die Gefangenen arm.
Ich sage nicht, daß diejenigen, die im Gefängnis arbeiten, Dummköpfe sind. Sie haben keine Wahl.Wenn sie essen wollen, dann haben sie Interesse, zu arbeiten, vor allem in den gegenwärtigen Gefängnissen, die halb privatisiert sind.... Ich bin einem System gegenüber feindlich eingestellt, in dem das Justizministerium eine Broschüre mit Angeboten für Unternehmen herausgeben kann. ..damit wird klar, daß es sich bei den Gefangenen um eine permanent vor Ort verfügbare und der Fron ausgelieferte Population handelt, die kein Recht auf Streik hat und die man loswerden kann, ohne ihr Arbeitslosengeld zu bezahlen ...die im Falle eines Arbeitsunfalls ohne Entschädigung entlassen wird ..."
Er nimmt stattdessen an einer Schreibwerkstatt, an einem Theaterworkshop teil.
Schreiben wird für
ihn zur Waffe.Er schreibt Briefe für andere Gefangene, beginnt seine
ersten Texte in Briefform.
„Wer im Gefängnis
sitzt und nicht schreiben und lesen kann, hat ein schweres soziales
Handicap.Im Gefängnis spielt sich alles schriftlich ab. Wenn sie
eine Ärztin sehen wollen, müssen Sie ihr schreiben.Wenn die den
Aufseher, die Richter*in sehen wollen, müssen Sie ihr schreiben. Sie
müssen bei allem und alles schreiben… und wer das nicht kann, muss
sich auf einer Warteliste eintragen und
warten, bis der Schreiber kommt.“
1984 wird er aus dem
Knast entlassen. Durch den Theaterworkshop im Knast, der von Maryvone
Vènard intiiert wurde, wird er auf das „Théatre de la Pierre
Noir“ (Schwarzer Stein“) in Troyes im Nordosten Frankreichs
aufmerksam gemacht, mit denen er die nächsten zweieinhalb Jahre
zusammenarbeitet. Er spielt Stücke von Tschechow, von Victor Hugo
(Regie: Maryvone Vénard).
Er macht
Theaterworkshops mit jungen „Straftäter*innen“, mit älteren
Menschen usw.
http://www.zeit.de/video/2010-11/675493776001/frankreich-gero-von-randow-die-energie-der-banlieus
"Während einer meiner Haftstrafen hatte ich schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Ich habe mich mit den Ärzt*innen angelegt, aber keine Anzeige erstattet. Ich werde nicht ein Verfahren gegen irgendwelche dieser Personen lostreten, die man davon überzeugt hat, dass ich simuliere, um ins Krankenhaus zu kommen und abzuhauen. Ich klage die Justiz nur an, wenn das die Institution in Frage stellt."
Er schreibt weiter, über das Gefängnis, das Justizsystem, das Prinzip Strafe
"Als Dieb - und ich präzisiere, es gibt einen Unterschied zwischen einem Dieb und einem Schurken - hatte ich das Glück, niemals Blut an den Händen zu haben. Das gestohlene Geld könnte ich zurückerstatten. Aber keine Bank kann mir im Gegenzug auch nur die kürzeste Sekunde meines Lebens wiedergeben..Im Gefängnis wird uns nicht die Zeit genommen, sondern das Leben.Meine Zeit fülle ich mich irgendetwas aus. Das Leben habe ich verloren."
Er nimmt im Gefängnis Kontakt auf zu Joelle Aubron von „Action directe“, zu Idioa López Riano „La Tigresa“ eine Militante der ETA.
(Joelle Aubron, 2006 verstorben)
1987 kehrt er nach
Paris zurück und beginnt für das Theater zu schreiben. M.Toz und La
Pension entstehen, die von seinem Bruder inszeniert und in
Aix-en-Provence und Paris aufgeführt werden.
Zwischen dem Schreiben einer Episode einer Fernsehserie und dem Ausrauben einer Bank wählte ich die letztere ohne zu zögern
Im Jahr 1990 wird er
erneut strafrechtlich verfolgt und wegen Diebstahls erneut zu acht
Jahren Haft verurteilt. „Wie auch immer, ich bin ein
Dieb, das ist kein Geheimnis“ (Hafed Benotman).
Die grösste
Gewalt, die einem Menschen angetan werden kann, ist für Abdel Hafed
die Unterwerfung. Sich zu unterwerfen, sich z.b. stundenlang, ein
Leben lang sich in einem fragwürdigen, „dummen“ Job zu beugen –
für ihn unvorstellbar. Dabei war er ein Dieb mit eigener Ethik und
Grenzen, spezialisierte sich darauf Banken und Reichen zu berauben,
benutzte aber während seiner Überfälle immer falsche Waffen und
sorgte dafür, dass niemandem Schaden zugefügt wurde. „Soweit
ich konnte, habe ich Institutionen angegriffen, sehr selten
Personen.“
Obwohl
früh marginalisiert, ohne Papiere, sah er seine Handlungen nicht als
eine Tat der „sozialen Verzweiflung“, distanzierte sich von der
damit verbundenen „Viktimisierung“, sieht in einem Dieb mehr die
Revolte und die eigene Wahl. „Ich hatte alle Karten selbst in
der Hand, um etwas zu erreichen, unter der Bedingung, daß ich die
Armut akzeptierte. Doch ich habe sie schon sehr früh nicht
akzeptiert.“
1995 wird er wieder inhaftiert und bekommt noch zwei Jahre und 6 Monate wegen seiner Flucht drauf (plus 3 Jahre Reststrafe). Ein Jahr später hat er seinen ersten Herzinfarkt.Die Gefängnisleitung ignoriert seine Beschwerden, hält ihn für einen Simulanten.Erst nach 12 Tagen wird er behandelt.
Sieht
sich eher als Stachel, als freier Einzelgänger, vielleicht auch im
Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit…..
Im
Gefängnis nähert er sich der militanten Linken an und beteiligt
sich an den Gefängniskämpfen...
1993
erscheint die erste Sammlung seiner Kurzgeschichten "Les
Forcenés“(Die
Verrückten),die zwischen Wut, Humor, Gewalt, Bosheit und Engagment Menschen ausserhalb beschreibt, die Ausgegrenzten, Abgeschobenen, in Knäste, Psychiatrien, Asyle, das Leben auf der Strasse .. die "Ver-rückten" halt
1994 verschärfte
sich die gesellschaftliche Situation aufs Dramatische. Der
Innenminister Charles Pasqua trat eine Serie von
Anti-Einwanderungsgesetzen los (Lois Pasqua), die u.a. „straffällig
gewordenen Nicht-Franzosen“, unabhängig ihrer Geburt, mit der
Abschiebung drohte…. Viele Einwander*innen, die sich bisher im
Lande aufhalten konnten, wurden nun in die Illegalität gedrängt,
auch für Abdel Hafed stand nach dem Gefängnisaufenthalt die
Abschiebung an….es gelingt ihm aus dem Gefängnis zu entkommen und
18 Monate im Untergrund zu leben.
"Während einer meiner Haftstrafen hatte ich schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Ich habe mich mit den Ärzt*innen angelegt, aber keine Anzeige erstattet. Ich werde nicht ein Verfahren gegen irgendwelche dieser Personen lostreten, die man davon überzeugt hat, dass ich simuliere, um ins Krankenhaus zu kommen und abzuhauen. Ich klage die Justiz nur an, wenn das die Institution in Frage stellt."
Er schreibt weiter, über das Gefängnis, das Justizsystem, das Prinzip Strafe
"Als Dieb - und ich präzisiere, es gibt einen Unterschied zwischen einem Dieb und einem Schurken - hatte ich das Glück, niemals Blut an den Händen zu haben. Das gestohlene Geld könnte ich zurückerstatten. Aber keine Bank kann mir im Gegenzug auch nur die kürzeste Sekunde meines Lebens wiedergeben..Im Gefängnis wird uns nicht die Zeit genommen, sondern das Leben.Meine Zeit fülle ich mich irgendetwas aus. Das Leben habe ich verloren."
Er nimmt im Gefängnis Kontakt auf zu Joelle Aubron von „Action directe“, zu Idioa López Riano „La Tigresa“ eine Militante der ETA.
(Joelle Aubron, 2006 verstorben)
Dabei lernte er Francine, seine spätere Lebensgefährtin kennen(sie heiraten während seiner Gefängniszeit).
Im Dezember 1999 wird er aus dem Zentralgefängnis in Melun im Department Seine-et-Marne entlassen.
Im Dezember 1999 wird er aus dem Zentralgefängnis in Melun im Department Seine-et-Marne entlassen.
Wenn die Welt gerettet werden kann, so wird sie von Rebell*innen gerettet...
Der Filmregisseur Jacques Doillon bietet ihm eine kleine Rolle in einem seiner Filme an. Er
wird zu Konferenzen über das Gefängnis eingeladen, engagiert sich in anti-rassistischen Organisationen. Er moderiert eine wöchentliche Sendung bei "Radio Libertaire"
"Den Malocher verschon, doch den Reichen bestiehl. Nimm ihn aus, den Bourgois, den zynischen Kumpan.So lautet, kurz gesagt, das oberste Prinzip was zu beachten ist als anständiger Dieb.
2001 dann die Gründung von "L'envolée " (s.o.).Er schreibt weiter Romane, Theaterstücke. Im Jahr 2002 schrieb er: La Politesse des foules (Die Höflichkeit der Menge), eine grausam-komische Farce, mit "dem Durst nach Freiheit und dem Hunger nach Gerechtigkeit", das von Bewohner*innen des Departments Dreux im Tal der Loire aufgeführt wird.
Seit 1996 lebt Abdel Hafed illegal in Frankreich, "sozial stranguliert" ohne Möglichkeit der Re-Integration. "Alles was das System zu bieten hat, ist ein fortwährendes Recycling als Gefangener."
Abdel Hafed Benotman bleibt "unbotmässig", akzeptiert weiterhin nicht die angebotenen Spielregeln der Unterwerfung, dem Anbieten an die Herrschenden noch dem Ausrauben anderer Armen, er sucht sich -als ehrbarer Dieb - die Orte, wo es sich im Überfluss befindet --- 2003 beginnt er wieder Banken zu überfallen.. seinen letzten, bei der Banque Barclays in Neuilly, einem Vorort von Paris,verlässt er mit 18 000 Euro zu Fuss auf ausgesucht roten Krücken....
(Barclays in Neuilly)
Von 2004 bis 2007 sitzt er wegen insgesamt 22.000 Euro wieder mal im Gefängnis.Er verbringt die Zeit in Fresnes zusammen mit Jean-Marc Rouillan von der "Action Directe."
Danach begann ein neues Kapitel im Leben von Abdul Hafed. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Francine bauen sie sich ein kleines Restaurant auf, immer in der Gefahr lebend, abgeschoben zu werden, nur wenige Schritte vom George Brassens Park im 15.Arrondissement entfernt, dem Liedermacher und Anarchisten, der mit seinem Lied " La Mauvaise Reputacion" sicher auch ihn besungen haben könnte.
Am 20.Februar 2015 stirbt Abdel Hafed Benotmann, seine administrative Situation und vor allem das Herzleiden, das ihm im Gefängnis zugefügt wurde (s.o.), hatten seine Gesundheit ein Jahrzehnt lang bedroht....
Die Hälfte seines Lebens hat er in den französischen Gefängnissen verbracht.
Am 28.Februar 2015, um 12.40 begleiten ihn seine Gefährt*innen und Freunde auf den Friedhof von Ivry-sur-Seine.
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**http://eipcp.net/transversal/1014/Benotman/Gefaegnis_Schreiben
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