Montag, 29. Mai 2017

(Gefängnisse abschaffen? Na und, ändert nichts) ....Antiknastkämpfe und transformative Gerechtigkeit


Die beiden Begriffe stehen erst mal als Verknüpfung nebeneinander.ob zwischen den beiden ein Zusammenhang besteht, soll im folgenden herausgearbeitet werden.


Erst mal zu den einzelnen Begriffen:


Der Kampf gegen den Knast im herkömmlichen Sinne wird ausserhalb der Knastmauern von Anti-knastgruppen bestimmt. Diese stellen einen horizontalen Kontakt zwischen sich und den Gefangenen her und verändern dadurch vor allem die soziale Funktion der Strafe und des Strafvollzuges, in dem sie die Trennung zwischen den "Kriminellen" und den "guten Gesetzestreuen" aufheben und einige darüber hinaus durch ihre grundlegende Knastkritik auch die Absicht der Verschleierung,der Ablenkung von den Handlungen und Taten der jeweils Herrschenden und ihrer Verwalter durchkreuzen.






aber :Antiknastkampf, der die Gefangenen und das Gefängnis ins Zentrum stellt, dreht sich um sich selbst und lässt die Gefangenen weiterhin in der Isolation in der Trennung...hier gilt es sich stattdessen auch an die zu wenden, die ausserhalb der Mauern sind und darauf hinzuweisen, dass heute durch die permanenten Strafverschärfungen und der Kriminalisierung schon der kleinsten Abweichung sie selbst wirklich nur eine Mauer vom Knast entfernt sind...indem wir uns einfach die Prinzipien ansehen, die das Gefängnis bedingen....die des Bestrafens...


diese Prinzipien bleiben , ob nun die knäste reformiert werden oder gar abgeschafft...

...denn unser ganzes Leben lang werden wir mit Gesetzen, Normen, Ünterdrückungsverhältnissen konfrontiert und gehindert...und um dies aufrecht zu erhalten dient die STRAFE als Klammer, als Stärkung in den jeweiligen Gemeinschaften, auch oft in Basisgruppen bis hinein in linke Kreisen und Kollektiven..Abweichungen und Verstösse gegen die jeweilige Ordnung müssen mindestens mit Ausgrenzung rechnen..also anderen überlassen mit den Betreffenden fertig zu werden







Zum Begriff: Transformative Gerechtigkeit....wir alle kennen die herkömmliche, vertikale Gerechtigkeit, die die auf Justiz und Strafe aufgebaut ist, Gerechtigkeit als Vergeltung...


hier interessiert aber die Horizontale, die durch die Interaktion hergestellt wird, durch den täglichen sozialen Austausch zwischen den Menschen...und unter " Transformation" kann "schrittweiser Übergangsprozess" verstanden werden...

Transformative Gerechtigkeit original "transformative justice" als Vision als Idee wurde von verschiedenden Gruppen aus sozialen Bewegungen in den USA entwickelt, die eine Sicherheit innerhalb ihrer Gemeinschaften jenseits von staatlichen Institutionen aufbauen wollten...sie arbeiteten dabei mit Antiknastgruppen und Organisationen der " people of color" zusammen und bewirkt in der Praxis, dass vor allem gewaltausübende Personen sowie deren Umfelder und Gemeinschaften lernen können/sollen, Verantwortung für die ausgeübten Handlungen zu übernehmen...abseits jeglicher Eingriffe staatlicher Gewalt....








sie befasst sich also nicht nur mit der eigentlichen Tat, sondern auch mit deren Ursachen und Zusammenhängen. Die jeweilige Person, die die Tat begangen hat, ist zwar verantwortlich dafür, aber eben nicht allein. Abseits von Strafe und Bestrafung gilt es für die entsprechende Gemeinschaft, Strukturen herauszuarbeiten, die diese Tat begünstigt oder gar legitimiert hat, um dadurch die Bedingungen zu verändern, die die Tat ermöglicht haben.


Hierzulande ist diese Praxis noch neu, in der hiesigen Alternative taucht eher der Begriff "restorative "also wiederherstellende Gerechtigkeit auf und in diesem Zusammenhang der "täter-opfer- ausgleich"...





http://radiochiflada.blogspot.de/2016/10/restorative-justice-gute-alternative.html


In beiden Konzepten RJ und TJ wird der Konflikt vom Staat weg den Tatbeteiligten zurückgegeben, aber bei der Restorativen wird bestenfalls versucht, wieder etwas gut zu machen, wieder etwas zurückzugeben, gemessen an dem Schaden der entstanden ist....
diese Methode versagt jedoch völlig bei Gewalttaten, z.b. bei sexualisierter gewalt...was soll da wiederhergestellt werden, die körperliche und seelische Unversehrheit?...

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Die transformative Gerechtigkeit dagegen greift die gesamte Situation auf und arbeitet, bei gemeinsamen Willen, an einer Transformation der Beziehungen, setzt also durch die Tat soziale Prozesse in Gang, die sich idealerweise in einer Kombination aus individueller Verantwortung und gemeinsamen Widerstand gegen die unterdrückenden Strukturen und Gesellschaftsverhältnisse aller ergeben..






Im Laufe der Jahre haben verschiedene Gruppen durch auch eigene Erfahrungen in den Stadtteilen, Organisationen und Workshops hilfreiche Tipps im Umgang bzw. im Nutzen der "transformativen gerechtigkeit" öffentlich gemacht...einige davon gibt es inzwischen auch im deutschsprachigen Raum 

http://transformation.blogsport.de/images/TransformativeHilfe.pdf

http://radiochiflada.blogspot.de/2017/05/weder-staat-noch-justiz-broschure.html



 ...Transformative Gerechtigkeit erscheint mir momentan nur praktisch umsetzbar im lokalen Rahmen...da dies aber deshalb nur in der jeweiligen Gemeinschaft Sinn macht, kann es auch nicht übertragen werden, aber für die jeweilige Gemeinschaft insofern förderlich,kann und muss diese doch ihre eigenen Prozesse in Gang setzen, Handlungsfaehigkeit und Selbstbestimmung vor allem fuer die jeweils Betroffene zurueckgewinnen ..

....und dies in moeglichst allen alltaeglichen Kaempfen in den Nachbarschaften, den Schulen Arbeitsplaetzen...durch Ablehnung strafender Reaktionen..so verliert nicht nur das Justizsystem mehr und mehr an Bedeutung....






auch wenn es oft als nicht umsetzbar erscheint, wenn heute noch selbst in linksradikalen autonomen Gemeinschaften mit Ausschluss bis hin zu Appellen an die herrschende Justiz operiert wird...aber entkommen koennen wir diesen letztendlich Herrschafts ( und damit Knast) stabilisierenden Verhalten und Verhaeltnissen nur, indem wir die Justiz, die Richter*innen als Institution und in unseren Koepfen attackieren...in allen moeglichen Dingen und Orten...


dieses Moeglichkeiten durch die Transformative Gerechtigkeit scheinen mir die einzig nachhaltige Loesung fuer eine Herrschafts weil straffreie Gesellschaft zu sein...





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(Niederschrift eines Vortrags bei den "Libertären Tagen 2017" in Köln)


Mittwoch, 17. Mai 2017

"Eh, du bist ja behindert" - Aber nur gegen Quittung !







In dem Pressetext zum „Madpride 2017“ in Köln tauchen völlig selbstverständlich Begriffe wie behindert und asozial auf http://madpride-koeln.de/pdf/madpride2017_pressetext.pdf

--- während das Stigma „asozial“ angeblich einen völkisch-rassischen Hintergrund hat (in Wahrheit aber von Sozialdemokraten und Kommunisten bis in 30erJahre benutzt wurde) ist der Begriff „behindert“ einzig und allein eine medizinische Definition, die eigentlich dem Sinn des "Madpridegedankens" zuwiderläuft... indem sie der sozialen und gesellschaftlichen Bedeutung des „Gehindertseins“ negiert und mit Floskeln wie „alle Menschen zusammen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung“ eben dies zudeckt …

 auch Sprache diskrimiert und grenzt aus, eine Sprache die von denen benutzt wird, die die tägliche Unterdrückung und Beherrschung verdecken wollen, die bestimmen, welche „Bildungsmassnahmen“ für „Behinderte“ investiert werden sollen, die immer noch Heime und Ausbeutungsbetriebe in Werkstätten für Integration halten, sie im Rahmen der Toleranz in einen kapitalistischen Konkurrenzkampf um die Verwertung unserer Körper mit „nichtbehinderten“ hineinlächeln, und doch die Herrschaft in der Gesellschaft, in den Institutionen mit modernen Mitteln weiter aufrechterhalten 


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und die von Einrichtungen wie „Aktion Mensch“ die zu dieser Demo mit aufgerufen hat, jeder Nichtbehinderten die Möglichkeit bietet, per Quittung sich die (Mit)menschlichkeit quittieren zu lassen, eine Mitmenschlichkeit, die sich oft in die Suche nach neuen (bezahlten) Aufgaben begibt, indem sie( vielleicht auch sich selbst) aber den „Behinderten“ vorgaukeln, sie hätten eigentlich zwar Probleme, aber ansonsten wären sie Menschen wie alle anderen auch …

 aber ihnen die Möglichkeit, das praktische Wissen, dass sich die „Gehinderten“ durch ihre täglichen Erfahrungen gemacht haben, durch das Zertifikat der „Experten*innen“ und dem Ausweis der“ fachlichen „Institutionen“ verhindert … die Aussage: „ Es ist die Gesellschaft die uns behindert,  zu behinderten macht“ hat immer noch ihre Gültigkeit... heute eben mit Luftschlangen und Konfetti


  • gegen die Vermarktung unserer Körper
  • gegen die Beherrschung unserer Sinne 
  • für Selbstorganisation auf allen Ebenen

W. (für: Abolisha)

Montag, 1. Mai 2017

Weder Staat noch Justiz --- Broschüre: Weitere Strategien für selbstorganisierte und kollektive Verantwortungsübernahme

Auf diesem Blog hatten wir schon verschiedene Texte zur "Transformativen Gerechtigkeit (Transformative Justice) und "Gemeinschaftsverantwortung(community accountabilty) ... nun ist vor wenigen Tagen der nachfolgende Text erschienen, den wir selbstverständlich und mit tiefer Solidarität hier weiterverbreiten wollen..... 








Liebe Leute, ihr haltet unsere erste Übersetzung in den Händen. Nach mühevollem Puzzlen von Wörtern und Diskutieren von Bedeutungen, freuen wir uns, endlich den roten Stift beiseite gelegt zu haben und nun stattdessen zu kopieren, zu falten und zu verteilen. Fast alles Material mit dem wir in den letzten Jahren gearbeitet haben ist auf Englisch, weshalb uns schnell klar wurde, dass es deutschsprachige Texte und Übersetzungen braucht, um die notwendigen Auseinandersetzungen zu Community Accountability auch im deutschsprachigen Kontext weiter zu bringen. Für unsere erste Übersetzung haben wir aus mehreren Gründen einen Text von der Gruppe CARA (Communities Against Rape & Abuse) aus Seattle, USA, ausgewählt, der 2006 in dem Buch The Color of Violence – the Incite! Anthology und 2008 in dem Onlinezine „The Revolution Starts at Home“ erschien. Der Text ist eine gute Einführung in das Thema und einer der ersten umfassenden Texte zur Community Accountability Arbeit. Im Text werden zum einen 10 Prinzipien als ein theoretischer Rahmen angeboten, zum Anderen gibt er durch drei Szenarien (Erfahrungsberichte) Einblicke in den Versuch einer Umsetzung. Dabei liegt der Fokus auf Communities of Color und die Verschränkung von strukturellen Machtverhältnissen, zwischenmenschlicher Gewalt und sexualisierter Gewalt. Wir denken, dass dieser Text zeigt, wie eine betroffenen-orientierte Arbeit der Community im Falle von Gewalt aussehen könnte, und auch, welche Herausforderungen es bei einer Verantwortungsübernahme von 2 Menschen, die Gewalt ausgeübt haben, zu bewältigen gilt. 


https://www.transformativejustice.eu/wp-content/uploads/2017/04/Das-Risiko-wagen.pdf


Entstehungsgeschichte von Transformative Justice und Community Accountability

 Innerhalb der sozialen Bewegungen der USA haben verschiedene Social Justice-Aktivist_innen die Vision einer Auseinandersetzung mit Gewalt entwickelt, die Sicherheit für marginalisierte Communities jenseits von staatlichen Institutionen (wie Polizei, Gefängnisse, psychiatrischen Institutionen, Kinder- und Jugendhilfe, Migrationsregime) aufbauen wollten.

 Diese Auseinandersetzungen wurden vor allem von cis-Frauen und trans*-Menschen of Color entwickelt und getragen. Von ihnen wurden die Zusammenhänge zwischen staatlicher Gewalt und zwischenmenschlicher Gewalt aufgezeigt. Sie machten auch deutlich, dass es für sie keine Unterstützung, sondern weitere Gewalt mit sich bringt, sich an staatliche Institutionen zu wenden.

Die entwickelten Konzepte sind in enger Verbundenheit mit dem Widerstand gegen den industriellen Gefängnis-Komplex und einer starken Kritik am weißen Mainstream-Feminismus & institutiona-lisierter Anti-Gewalt Arbeit entwickelt worden. Denn diese Art von Arbeit produziert rassistische Kompliz_innenschaft und fördert rassistische Fahndungsraster sowie die Kriminalisierung und übermäßig hohe Inhaftierung von Schwarzen Menschen und People of Color, deren eigene Betroffenheit von sexualisierter Gewalt zu oft unsichtbar bleibt. Auf der Basis dieser Kritik wurden vielfältige Theorien und Praktiken erarbeitet, die sich unter den Überbegriffen Transformative Justice und Community Accountability wiederfinden und die mittlerweile auch in Europa und Australien ausprobiert werden.

 Basis dieser Begriffe ist ein selbstorganisierter, community-basierter und nicht staatlich strukturierter Prozess zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Personen und zur Prävention zukünftiger Gewalt. Es geht darum, dass gewaltausübende Personen sowie deren Umfelder und Communities lernen sollen, Verantwortung für die ausgeübte Gewalt zu übernehmen. Definitionsmacht und Community Accountability




 In vielen linkspolitisch-autonomen deutschsprachigen Zusammenhängen wird das Konzept der Definitionsmacht bei sexualisierter Gewalt verwendet, das in den 90er Jahren von feministischen FrauenLesben entwickelt wurde. Dieses Konzept wurde als eine Intervention in bestimmte Kontexte benutzt, die primär hetero und cis-männlich dominiert waren. Dabei ging es vor allem darum, die Unterstützung und Selbstbestimmung von und Parteilichkeit mit Betroffenen möglich zu machen und zu stärken. So wurde das individuelle Erleben von Gewalt und die Macht, das Erlebte auch als Gewalt zu benennen, als Ausgangspunkt gesetzt. Diese Herangehensweise finden wir weiterhin elementar. Der Fokus des Konzeptes der Definitionsmacht beschränkt sich jedoch auf Geschlechterverhältnisse und basiert auf einem weißen deutschen, heteronormativen/geschlechterbinären Blick auf das Thema.

Eine Auseinandersetzung mit (sexualisierter) Gewalt braucht aber unbedingt die Thematisierung von weiteren Machtverhältnissen. Wenn z.B. Rassismus und weiße Normen außen vor gelassen werden, scheitern Prozesse an vielen Punkten. Es geht uns hier darum, die bisher angewandten Praxen und Vorstellungen kritisch zu betrachten, weiter zu denken und zu verbinden. Darüber hinaus stellt für uns Community Accountability weiterführende Fragen: Wen schützt staatliche Gewalt und wem schadet sie? Wer hat Zugang zu welchen Räumen und Ressourcen, z.B. auch zu Diskursen um Definitionsmacht? Welche Gewalterfahrungen werden als solche wahrgenommen und warum, und welche nicht?




https://www.transformativejustice.eu/wp-content/uploads/2017/04/Das-Risiko-wagen.pdf