Abolitionismus war
schon immer ein mutiges Projekt.
Ob als Antwort auf das Privateigentum und die Sklaverei des 19. Jahrhunderts oder auf Gefängnisse im letzten halben Jahrhundert haben diese Bewegungen nicht nur konservative Kritiker, sondern Liberale, Progressive und sogar einige Radikale verunsichert. Die hartnäckige Unmittelbarkeit der Forderung stört diejenigen, die auf die Lösung hartnäckiger sozialer Probleme im Rahmen der bestehenden Ordnung hoffen. Für sie ist Abschaffung unpraktisch utopisch und daher nicht pragmatisch.
Kritiker*innen verwerfen die Abschaffung von Gefängnissen oft ohne ein klares Verständnis dessen, was es überhaupt ist. Einige von ihnen beschreiben das Ziel der Abschaffung von Gefängnissen als eine fieberhafte Forderung, alle Gefängnisse heute zu zerstören. Aber diese Behauptung zeigt wenig Wissen über die langwährende Geschichte z.b. der Abschaffung der Sklaverei oder der Todesstrafe
Für uns, Menschen mit jahrzehntelangen Erfahrungen in der Antiknastbewegung ist Abschaffung der Gefängnisse sowohl ein Leitstern als auch eine praktische Notwendigkeit.
Von zentraler
Bedeutung für die Abschaffung der Sklaverei waren die vielen Kämpfe
für nicht reformistische Reformen - jene Maßnahmen, die die
Macht eines repressiven Systems verringern und gleichzeitig die
Unfähigkeit des Systems, die von ihm verursachten Krisen zu lösen,
beleuchten.
Dies ist der
Ausgangspunkt der Abschaffung, die eine radikale Kritik an
Gefängnissen und anderen Formen der Staatsgewalt verbindet mit einer
umfassenden transformativen Vision.
(siehe auch hier: Gefangenengewerkschaft auch Schliessergewerkschaft? Von negativen und anderen Reformen...
Diese Strategien und Taktiken harmonieren, inspirieren und sind inspiriert von vielen anderen linken Traditionen. So wie im Kampf zur Abschaffung der Todesstrafe.“Gefängnisse und die furchtbaren Bedingungen..beides gehört zusammen“. Es geht „um Bestrafung, Lagerhaltung und Kontrolle.Dies untergräbt systematisch genau die Werte und Dinge, die wir brauchen, um gesund zu sein“( Rose Braz, neben Angela Davis Mitbegründerin von „Critical Resistance")
Abolitionist*innen haben daran gearbeitet, die Einzelhaft und die Todesstrafe zu beenden, den Bau neuer Gefängnisse zu stoppen,die Menschen aus dem Gefängnis zu befreien, der Ausweitung und Verschärfung der Strafe durch Gesetze und Überwachung entgegenzutreten, und alternative Formen der Konfliktlösung zu entwickeln, die sich nicht auf das Strafverfahren stützen.
Abolitionist*innen weigern sich, das Paradigma zu befolgen, in dem "Gefängnisse [als] gemeinsame Lösungen für soziale Probleme dienen".
Das oft benutzte
Argument, eine breite Öffentlichkeit sei dafür nicht zu gewinnen,
missversteht oder will nicht verstehen, wie sich soziale
Veränderungen in der Geschichte entwickelt haben. Der Kampf der
Frauen um Gleichheit im Jahre 1912, die Kämpfe der IWW in den
20erJahren, die Bürgerrechtsbewegungen in den 50er Jahren... die
Geschichte liefert sicher noch weitere Fälle, wo Nelson Mandelas
Satz, dass „es nur unmöglich erscheint, bis es fertig ist“
zutrifft.
Ja, eher wächst,
nun auch hier im deutschsprachigen Raum, die Aussicht auf ein
grösseres Bewusstsein für wenn nicht Abschaffung so doch wachsende
Kritik am System Gefängnis, auch wenn dies in einer von den
Herrschenden gesteuerten Öffentlichkeit mit der immer aufs Neue
hergestellten Inszenierungen von Krisen entgegengearbeitet wird.
Seit
Jahrzehnten entwickelt sich in den USA eine immer grösser werdende
Verbundenheit im Kampf gegen den Industriekomplex des Gefängnisses…
Im Jahre 2000 trafen sich Tausende bei einem Treffen von
Incite!, die die rassistische und
geschlechtsspezifische Gewalt zum Thema
machten..mit dem Erfolg, dass sich bei einem Sozialforum 2010 in
Detroit Aktivist*innen in täglichen Zusammenkünften mit dem Thema
Strafe beschäftigten, über „Knastjustiz“ diskutierten. In einer
verabschiedeten Erklärung sprachen sie davon, die „Vision der
Gerechtigkeit und Solidarität gegenüber den Gefangenen“ zu leben
und den Widerstand gegen „Gefangenschaft, Kontrolle und alle Formen
politischer Repression“ aufzunehmen. Der Gefängnisindustriekomplex
gehört abgeschafft.
Dies war auch ein
zentrales Thema der Occupy Bewegung, ist es bei „Black Lives
Matter“ und anderen populären Aufständen der letzten Jahre in den
USA.
Abolitionist*innen
waren massgeblich bei den Kampagen für die Freilassung von Marissa
Alexander, Chelsea Manning, Bresha Meadows beteiligt. Diese
Kampagnen, augenscheinlich für die Freilassung einzelner Gefangenen,
wurde gleichzeitig genutzt, um eine öffentliche Aufklärung über
staatliche Gewalt und ihrer Verbindung zu patriarchalischer Gewalt
durchzuführen.
Aber auch tägliche
Fragen des Überlebens stehen im Fokus der Diskussionen.
Welche Bedingungen
finden die Menschen vor, die aus den Gefängnissen entlassen worden?
Die
Bezeichnung „Wiedereintritt in die
Gesellschaft“ oder
„Re-sozialisierung“
sind Begriffe, die zu Recht in der Antiknastbewegung auf
Unverständnis stossen… sind doch viele von ihnen schon vor ihrer
Inhaftierung von der Gesellschaft ausgegrenzt worden. Das verstärkt
den Wunsch, den Willen, die Gesellschaft zu verändern, die
Lebensbedingungen der Menschen, bevor sie überhaupt
von
dem gegenwärtigen System kriminalisiert wurden. Dies ist allerdings
ohne eine radikale, von mir aus revolutionäre Umgestaltung nicht
möglich… Ideen ja teilweise schon Bewegungen, wie die der
„Transformative Justice“,
die sich aus den o.a. Gruppen entwickelt
haben und hier im deutschsprachigen Raum -immerhin- von einigen
Anarchist*innen aufgenommen werden, sind
Schritte, die dies bewerkstelligen könnten..
Es
gibt weiterhin viele Fragen, die wir uns stellen müssen, Fragen
innerhalb unserer Zusammenkünfte, Diskussionen und Handlungen,
Fragen und Antworten auf die aktuell stattfindenen
Strafverschärfungen und vor allem auf die vorhandenen und wachsenden
Barrieren, die sich einem grundlegenden Wandel entgegenstellen
werden, aber der Bedarf für eine weitreichende Debatte über das
Straf und Knastsystem wird eher dadurch notwendiger denn je, aber es
muss eine Debatte sein, die sich mit dem beschäftigt, was vor Ort
mit den Menschen und ihrer Organisierung erreicht werden kann und
nicht mit dem, was an Aufklebern an Laternenmästen oder in
bestimmten sozialen Medien existiert.
**
W. (für Abolisha)
Nach einem Text von Berger/Kaba/Stein .... "What Abolitionst do" ...
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