Den folgenden Text schrieb
Peter Paul Zahl
1976,
in einer Zeit wo der Knast Alltag war in bestimmten Stadtteilen, in den
Wohn-und Arbeitsgemeinschaften und Kommunen, wo sich Fabrik, Uni, Stadtteil
zusammentrafen, die Automatenknacker, die Ex-Junkie und Ex-Prostituierte mit
der Soziologiestudentin, der Gelegenheitsarbeiter – eine(r) war immer gerade im
Knast – und es wurde täglich gestritten, geliebt, gelebt - draußen;
sich bekämpft und solidarisiert - drinnen
wie draußen –; nie war die politische Linke so nah an der Wirklichkeit, nie
wieder so „umstürzlerisch“ mit den „Kriminellen“ und „Lumpen“ verbunden und
verwickelt – heute sorgt sie sich um die Ko-operation mit Staat und Justiz, um gar
nicht erst in den Knast und damit in Kontakt mit den anderen zu kommen – der
Kontakt draußen ist ja schon erfolgreich die letzten Jahre abgebrochen,
distanziert, denunziert worden.
Peter Paul Zahl plädiert in seinem Text für eine gegenseitige Solidarität, eine
kollektive Lösung, ihm schwebte damals noch die Vision der „Gesamtarbeiter*innen“ vor – also der oben erwähnten Einheit
von Fabrik, Uni, Stadtteil, im Sinne eines daraus gewachsenen
„Klassenbewusstseins“ --- für ihn war das „Lumpenproletariat“ nicht die
„neue Herrenklasse“, wie es dem damaligen „Gefangenenrat Frankfurt“ vorgeworfen
wurde. (Vorgeworfen übrigens von vor allem denen, die sich in ihrer Rolle des
„Führers“, und eben dieser Mitgliedschaft einer „Herrenklasse“ nicht mehr ernst
genommen fühlten und denen kein Verständnis mehr entgegengebracht wurde, wenn
sie „vom richtigen Zeitpunkt“ und „ ihr seid noch nicht so weit“ faselten ).
Vieles in dem vorliegenden Text ist auch heute noch aktuell – wir
haben versucht, einige dieser Themen besonders hervorzuheben und mit *) zu versehen
Abolisha Dezember 2015
Lumpen im Schließfach
I
Im „3. Reich“ wurde nicht nur die „klassische“ Arbeiterbewegung
zerstört. Zerschlagen und ausgelöscht wurden auch die organisierte Unterwelt
und ihre Subkultur (z.B. Ring- und Sparvereine). Entgegen aller anders
lautenden Propaganda aber sank die „Verbrechensquote“ im Tausendjährigen Reich
nicht: Sie stieg, relativ und absolut. Der schöne Schein wurde durch
Verschweigen in den Medien und durch Goebbels`sche Propaganda verbreitet.
Wie die klassische Arbeiterbewegung verlor das Lumpenproletariat
sein kollektives Gedächtnis. Es ist nahezu geschichts- und traditionslos,
unstrukturiert. Erst Ende der 60er Jahre eroberten Multis den Markt,
vornehmlich in den Bereichen Drogen, Waffen, Antiquitätenhehlerei,
Prostitutionskontrolle und Racketteering. Ihre höheren Chargen und Manager sind
in bundesdeutschen Knästen so gut wie nicht vertreten – sie haben gute
Beziehungen zu Kapital und Staat, ausgezeichnete Rechtsanwälte und operieren
transnational.
Exkurs 1
Waisenheim mit Fliessbandabfertigung; Kindergärten mit 30 bis 40
Minimenschen auf einen weiblichen Feldwebel; überfüllte Schulklassen;
unzureichend ausgestattete „Sonderschulen“; vollgepropfte Erziehungsheime mit
etwa 50 000 „Zöglingen“, von den 50 % zu „Verbrechern“ erzogen werden;
Lehrjahre mit 1 000 000 Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz pro
Jahr;Bundeswehr;
Trabantenstädte; Slums und Asyle; Wohnsilos; Fließbänder;
Diskotheken; Pfaffe und BILD; Kleinstwohnungen als Familiengrüfte;
Arbeitsämter; Sozialämter; Bullenreviere; überfüllte Knäste; Krematorien:
Sozialisationsagenturen.
II
Wenn ich einen meiner Brüder hier bitte, seinen Lebenslauf für
mich aufzuschreiben, weigert er sich meistens: „ Ich erzähl ihn dir, dann
kannst du ja schreiben.“
Beharrt man auf seinem Wunsch, dauert es sehr lang, bis man den,
zumeist sehr lakonisch-kurzen Bericht in Händen hält. Und auch dann wird man
aufgefordert, ihn zu korrigieren, ihn auf keinen Fall in der Form zu
übernehmen. „Die Schulbildung,
weißt du“.
Das Erstaunliche ist dann immer die Form der Aufzeichnung: habe ich den
Bruder als talentierten Erzähler, großartigen Schilderer, komischen Interpreten
kennen gelernt, sind seine Aufzeichnungen im „amtlichen“ Stil gehalten. Die
Sprache hat sich völlig verändert. Der Lebenslauf ist übersetzt, frisiert. Er
ist geschrieben – in der Sprache der Herrschenden.
So etwas wie Lebensläufe fordern Behörden, Richter, Gutachter an.
Deren Sprache will gelernt sein, wie Latein, Englisch, Kisuaheli. Ein
Lebenslauf ist ein Dokument, ein verräterisches Stück Akte für die
Justizmaschinerie. Die hinter der Barriere, die Justizpfaffen in Schwarz,
diktieren, was geredet und geschrieben, wie geredet und geschrieben wird, ob
der Unterworfene überhaupt reden darf.
Will er reden, hat er die Sprache der Anderen zu benutzen. Benutzt
er die Sprache der Anderen, entfremdet er sich gegenüber sich selbst und seiner
Klasse. Die Sprache der Anderen sprechen heißt: sich aufgeben. In der Sprache der Herrschenden in
Schwarz existieren Worthülsen wie: „Kriminelle Energie … in dubio contra
reum … Täter … eine fremde, bewegliche Sache, in der Absicht …
Strafprozessordnung … widerrechtlich angeeignet … infam, tückisch, haltlos …
Vorsatz, bedingter Vorsatz … psychiatrisches Gutachten … quid pro quo …
empfindliche Strafe geeignet … keinerlei Einsicht“ usw. usf.
Es ist die Sprache der Kolonialherren. Sie verlangen, dass die Eingeborenen ihre
Sprache sprechen. Tun sie das nicht, werden Dolmetscher, Kapos und
Hilfssheriffs (Pflichtverteidiger) beauftragt, die Interessen der
Eingeborenen(Mandanten) zu vertreten.
Exkurs 2
Wir sitzen alle in einem Boot; geht es der wirtschaft schlecht,
geht es uns allen schlecht;das tut man nicht; du kriegst gleich eine; frag
nicht so viel/so blöd; so war es schon immer; stell dich nicht so bekloppt an;
das wird sich nie ändern; der Mensch ist schlecht/des Menschen Wolf; die
Kleinen sind immer die Angeschmierten; doof bleibt doof, da helfen keine
Pillen;sei nett zueinander; du sollst nicht stehlen, nicht ehebrechen, fluchen;
Geld regiert wie Welt; du sollst Vater und Mutter ehren; Geld arbeitet; tanz
nicht aus der Reihe; wie siehst du denn wieder aus?; da kann man nichts machen;
die machen sowieso, was sie wollen; Heil Hitler, Grüß Gott; Mahlzeit; das
können wir uns nicht leisten;
immer schön bescheiden bleiben/ in reih und glied; das kriegt man
Rückenmarkschwund von; das ist pervers; das tut man nicht; du sollst nicht
begehren deines Nächsten Weib, Kind, Kuh, Esel, Fabrik, Mercedes, Swimming
pool; lieber tot als rot; immer auf dem Boden der Tatsachen bleiben/ auf dem
Boden der fdGO; mach keine Zicken; hast du was, bist du was; pass auf bei den
Katzelmachern; Itaker klauen; alle Türken haben Messer; die wollen uns bloß die
Arbeitsplätze wegnehmen; die wollen alles zerstören, was wir nach dem Krieg
aufgebaut haben; die sollen studieren und nicht demonstrieren; du hast Recht,
und ich habe meine Ruhe; unsereins zahlt immer drauf; geh mal zum Frisör;
selbst bei den Graugänsen ist das so; für Kaiser, Führer, Gott und Vaterland,
für die freiheitlich-demokratische; es wird immer ein Oben und ein Unten geben;
bei deinen Schulden würd ich aber nicht so die Schnauze aufreißen; was willst
du eigentlich, uns geht’s doch gut; die gehören alle ins KZ/Arbeitshaus/Lager;
davon verstehst du nix; nun halt mal endlich deine Schnauze: Sprüche
III
Knast: die kapitalistische Gesellschaft im
Kleinen
Knast: Hauptkampflinie an der Inneren
Abwehrfront.
Knast im Imperialismus: in Beton gegossene Gigantomie,
Kulturdenkmal, Stein gewordene Isolierung, Schließfach
auf Schließfach, Schließfach neben Schließfach –architektonische
Selbstdarstellung der Konkurrenz-Bourgeoisie.
Knast heute: die beste, die genaueste aller möglichen
(Kauf-und Verkaufs-) Welten.
Knast: von
perversen Architekten ins Gelände vor den Toren der Stadt gekotzte
Verdinglichung.
Knast: Sichtbares Symbol der Zwei Ehernen
Gesetze:
Mehrwert schaffen und Eigentum achten!!!
Exkurs 3
91 % der Richter entstammen der Mittelschicht, nur 1 % der unteren
Unterschicht
99 % der Angeklagten kommen aus der unteren Unterschicht, davon
haben 96% nur eine Volksschule oder Sonderschule besucht … (1973, Rasehorn,
Richter am OLG Frankfurt/M.)
Exkurs 4
Schläge, Vorwürfe, Keifen, Schreien, Tadeln, In-die-Ecke-stellen,
Betenlassen, Fesseln, Stubenarrest, Putzlappen zählen lassen, Prüfungen,
Eignungstests, Zeugnisse, Ermahnungen, handgeschriebene Lebensläufe,
Intelligenztests, Gutachten, Mahnungen, Zahlungsbefehle, Rechnungen, Prügel,
Ratenverpflichtungen, verunglückte Interrupti, Aufgebote, Razzien, Prügel,
Lebensversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung,
Haftpflichtversicherung, Niedrigerstufen, Versetzungen, Eliminierungen,
Rationalisierungen, Sitzen bleiben, Vorstrafenregister, Arbeitslosigkeit,
Vorstrafenregister, polizeiliche Führungszeugnisse, Arbeitsbescheinigungen,
Mieterhöhungen, Akkord – Refa, MTM – Gewerkschaftsbeiträge, Kirchensteuer,
Alimente, Gerichtskosten, Vorstrafen, Prügel, vorläufige Verhaftungen,
fehlender Arbeitsschutz, fehlender Mietsschutz, Urteile: „Sachzwänge“, Sachen
und Zwänge.
IV
Die von Numerus clausus, Berufsverbot, Hochschulrahmengesetz,
Maulkorberlass, grandioser Perfektionierung der Unterdrückungsmaschinerie
gelähmte, entsetzlich schnell gealterte Neue Linke hockt hinter den
Schreibtischen und baut ihre Popanze auf, setzt auf Mythen: „das“ Proletariat –
das wahlweise aus Facharbeiterschaft oder mobilem Massenarbeiter besteht – „die
revolutionären Portugiesen“ oder gar den „Lumpen“. „Der … das … den“ gibt es
nicht, gab es nie. Klassen
konstituieren sich im Kampf. In
einem Marxismus, der wieder zur Theologie degenerierte, wird Klassenanalyse
entweder zum Wunschdenken oder zum platten Objektivismus.
Arbeitsteilung in Fabrik, Universität, Schule und Knast ist
unaufgebrochen – Voraussetzung der Vorherrschaft des Kapitalverhältnisses:
Heterogenität. Wir finden vor: Technologen, Angestellte, Ingenieure, Meister,
Vorarbeiter, Facharbeiter, Fachhilfsarbeiter, dann die Mülleimer, und hinter
den Mülleimern Frauen, unqualifizierte Jugendliche, die Nigger aus Anatolien,
dem Mezzogiorno, Andalusien.* Im
Knast finden wir: rebellische Lumpenbourgeoisie, angepasste Lumpenbourgeoisie, entwurzelte Arbeiter, von zyklischen
Krisen kriminalisierte Kleinbürger, deklassiertes Proletariat – und die Nigger
unter den Knackis, jene, die von ihrer Klassengeschichte her noch nie in den
Produktionsprozess eingegliedert waren, jene fünfzig Prozent der Heimkinder,
deren Sozialisationsprozeß Verbrechen ist und „Verbrecher“ macht.* Ulrike Meinhof: „Hier hat der Staat
Erziehungsmonopol. Hier redet ihm keiner bei der Erziehung drein. Hier zeigt
er, wie er sich Erziehung vorstellt“ ….
Es sind die letzten, die immer wieder beschworen werden, sie sind
der „Bodensatz“ mit seiner „Arbeitsscheue“,
nichtsdestotrotz aber voller „krimineller Energie“, die Heim, Knast, Heim,
Knast kriegen. Monate, Jahre, Jahrzehnte, Sicherungsverwahrung,
deren Jahre im „großen bunten Knast“ draußen auf Dauer weniger ausmachen als
die Jahre in Lager, Heim, Asyl, Knast, KZ.
Die „Rückfallquote“ des BRD-Vollzuges beträgt zwischen 80 und 90
%. „Resozialisierung … Rehabilitation … Wiedereingliederung“ - Gewäsch, Propaganda, Augenwischerei.
Der moderne Vollzug in der Bundesrepublik orientiert sich an den USA, nicht an
Schweden – abgesehen davon, dass die Gehirnwäsche und deren Propagierung in
Schweden zum Ausgefeiltesten zählt, was es auf diesem Gebiet gibt.
Die Zukunft des Vollzugs in der BRD heißt: Attika.
V
Um im Knast zu überleben, entwickelten die Knackis in
Jahrhunderten ihre Kultur. Und weil sie unterhalb der „Gesellschaft“ ansässig
sind, heißt ihre Kultur „Subkultur“. Diese Kultur entwickelte die zum
Über – Leben notwendige Formen des „ Unter- Lebens“.* Der Knast spiegelte in
verzerrter, aber wahrhaftiger Form die Gesellschaft wieder, ihre
Arbeitsteilung, ihre Hierarchie, ihre Laster, Tugenden, ihre Entfremdung und
Verdinglichung*. Er spiegelte sie wieder – und wies über sie hinaus: Knast
war die auf den Begriff gebrachte, ihrer Ideologien beraubte Gesellschaft.
Knast: Dritte Welt in den Metropolen. Das
Leben eines Knackis ist ein Dreck wert – er schafft keinen Mehrwert, oder
wenigstens so wenig, dass sein Leben durch den Schornstein gejagt werden kann,
erfüllt es gewisse Minima nicht – es gibt ja genug von ihnen. Dritte Welt
in der Ersten Welt bedeutet: pure Unterdrückung in tausenderlei Formen,
vorkapitalistische Befehlsstrukturen, Dressur, Verachtung, Heranziehung eines
beliebig austauschbaren, angepassten, schleimigen Menschentypus: der Uncle Tom.
Das Versagen der Resozialisations- Agenturen seit Jahrzehnten bedeutet, dass
der Strafzweck, die Züchtung einer des Rückgrats beraubten, kriechenden Rasse,
nie erreicht wurde, nicht erreicht werden kann. Sie wird nie erreicht, nicht in
Kumla, Schweden, der völligen Antizipation des Großen Bruders, wo sich
Überleben nur noch auf Monitoren abspielt, nicht in San Quentin oder Attica, nicht in Carabanchel, nicht in Ossendorf, Bruchsal, Werl, Preungesheim, Stammheim,
Stadelheim. Die verschiedenen
Formen der Resozialisierung sind lediglich verschiedene Formen des kulturellen
Genozids.
Im Knast sein – und überleben wollen, bedeutet, solange die
Herrschenden nicht verschwunden sind, physisch und psychisch einfach weg: sich
anpassen, Sich-anpassen bedeutet nicht „Opportunismus“, kann nicht moralisch
gepackt, qualifiziert werden. Wenn
du im Schließfach vegetierst, dein Leben immer einen Dreck wert war, wert ist,
musst du mit dem Rücken zur Wand kämpfen, lächeln, heucheln, knicksen, deinen
Diener machen. Die in der bürgerlichen Gesellschaft herrschende
Vereinzelung wird im Knast von den Herrschenden in zunehmenden Maße strategisch
und taktisch auf den Begriff gebracht: die Betonzelle(genormt) plus Differenzierung
der „Behandlung“ gemäß den Anleitungen des menschenfeindlichsten Behaviorismus. In der Sicht der
Herrschenden muss der Knacki eine durch ein Labyrinth hetzende,
adrenalinverseuchte Ratte sein: irgendwo, am Ende der Irrgänge aus Willkür,
Brutalität, Zynismus, Unlogik und Menschenhass, winkt die „Freiheit“: die
Anpassung an die Maloche am Band.
Unterwirf dich oder verreck! Du hast die Wahl zwischen Valium und
monitorüberwachter B(eruhigungs-)zelle, zwischen Angeschnallt werden und
Schlagstock. Ohne das Maschinengewehr, den Karabiner, die Arsenale, ohne
militärtaktische und strategische Begriffe lässt sich ein Knast nicht denken,
ohne sie ist er absolut unglaubwürdig.
Man verfeinert zurzeit nur das Instrumentarium: heutige
Rollkommandos beherrschen das Zusammenschlagen der in ihren
Stahlbetonschließfächern Wehrlosen ohne Zurücklassen von Spuren: Taek-won-do,
beidhändig auf die Ohren, seitlich am Hals, Innenseiten der Oberschenkel und
–arme, auf Leber, Milz etc. Stellungnahme des Bundesrates zu den geplanten
Strafvollzugsgesetzen: Vorschlag, statt der Knüppel die Spritze zu nehmen.
Überschrift: Humanität. Realität: höhere Effizienz, weniger Aufsehen.
Andere Lähmungsschläge: Versagen von „Beschäftigung“ oder
„Privilegien“, Kronzeugenpraktiken – die angewandt wurden und werden, schon
lange bevor das dazupassende Gesetz geschmiert wurde – Aussicht auf Halbstrafe,
Zweidrittelstrafe, Bewährung, Angst vor Sicherungsverwahrung (einer Einrichtung
aus dem 3. Reich, die nur zu gern beibehalten wurde und bei weitem schlimmer
ist als alte, hohe, aber zeitlich begrenzte Zuchthausstrafen).
Aus Amerika und Schweden übernahm man nur das Übelste,
Menschenfeindlichste. Die „Knastexotik“ schwindet. Unterleben der
Gefangenen wir immer unmöglicher gemacht: die Stationen oder Häuser der neuen
Lager sind abgeschottet, das Leben ist bis ins letzte reglementiert.
Jahrhundertalte Gewohnheitsrechte von Knackis – des „lieben Friedens willen“
von Kommandanturen früher oft großzügig übersehen, gewährt, manchmal gar
gefördert – werden gekappt und liquidiert, die Repression ist wissenschaftlich
verfeinert: statt Inquisitionsjustiz Isolationsfolter, statt offenen Totschlags
das Treiben in den „Selbst“mord. Anfang 1973 machten in Ossendorf sechs Knackis
Suizid. Das erspart die Liquidation. Gefoltert wird nicht aus Lust oder Spaß –
Lust ist strafbar, der Sadist aus Anlage kommt selber hinter Gitter – sondern
maschinell, institutionell.
Das prägt die Umgangsformen: die Isolation des Einzelnen führt zur
Paranoia. Kamera, Monitoren, Kalfaktoren, Spitzel werden aufeinander
abgestellt. Das von frühester Jugend an natürliche Verhältnis zur Gewalt, zur
Abreaktion von Aggressionen – auch und gerade untereinander – wird vorsätzlich
und kalt zerstört. Konnte man
sich früher noch mit Wärtern oder Mitgefangenen keilen – es ist keine Schande,
von sechs bis zehn Grünen mit Knüppeln zusammengewichst zu werden, „aber so
zwei, drei nehm ich mit“ – kommt man heute vor den Richter: Widerstand gegen
die Staatsgewalt. Das
eskaliert sich, gibt Stempel in den Akten, führt schnell zur
Sicherungsverwahrung …. Früher gingst du so oft du konntest zum Arzt, zum
Zahnarzt, zum Friseur, zum Fürsorger, zum Pfaffen, in die Kirche – dort waren
die Informations-und Warenbörsen, wurde gemaggelt und gemauschelt, wurden Pornos
und Tabak“koffer“ getauscht, wurden Tipps gegeben, Zeugen auf-oder abgebaut,
Verteidigungsstrategien entwickelt, Streiks und Bambulen geplant: das ist
vorbei, die „Vorführungen“ finden in kleinstem Kreise statt, die Gänge und
Galerien sind zu räumen, die toten Ecken und Winkel sind inzwischen überwacht,
und in der Kirche sitzt du vereinzelt mit drei Mann auf einer riesigen Betbank,
misstrauisch von lauter Grünen belauert.
„Papillon“ ist tot. Die „Verrohung des Franz Blum“ ist Exotik, die
im Schwinden begriffen ist. Heute liest der goldrandbewaffnete Lagerkommandant
(Verwaltungsjurist) schmunzelnd Fallada und „Franz Blum“ oder Charrieres
Eskapaden – und lässt denjenigen, der noch auf Flucht sinnt, jahrelang in den
Tigerkäfig, die Isolationsfolter, die Spezial-Stahl-Beton oder rundumverglaste
Zelle stecken …
Der Knast des Spätkapitalismus räumt zügig mit der „Exotik“ auf.
Aus dem Zuchthaus wird die „Vollzugsanstalt“, aus der mosaischen Rache wird die
„Behandlung“, aus dem efeu-überwucherten, düsteren Backsteinbau, sternförmig
angelegt, wird das klinisch saubere Abbild der Trabantenstadt: der Betonkoloß.
An die Stelle des Schlags aus dem Handgelenk mit dem Schlüsselbund trat der
Becher Knastkaffee mit einem winzigen Tropfen der Pharmaindustrie. Aus dem
uniformierten, angesoffenen Sadisten wird der penible Weißkittel, der seinen
„Probanden“ betrachtet wie ein Insekt unter dem Mikroskop. Der Knast von 1974
und danach rottet Sprache, Kommunikation, Interaktion, Solidarität aus. Er ist
die Vorwegnahme des Grossen Bruders für die Gesamtgesellschaft. 1984 aber, und
das ist das Beruhigende, ist gleichzeitig auch vorkapitalistisch, feudal,
mittelalterlich. Produktivkräfte und Herrschaftsform fallen auseinander. 1984
dauert nicht lange
Exkurs 5
…. Wenn die Herrschenden nicht mehr so können, die Beherrschten
nicht mehr so wollen – Vorzeichen: Schwund der Massenloyalität, Ansteigen der
Kriminalität. Feuer, Terror, Alarm ! Polizei !!!
*Da brechen welche aus. Da machen welche nicht mehr mit. Da werden
Gesetze, Tabus gebrochen. Vor der Revolte die Phase des Kannibalismus: die
untersten Klassen und Schichten fallen übereinander her.*
Reichtum, immer öffentlicher sichtbar, verliert seinen
protestantisch-metaphysischen Charakter. Hinlangen. Sich seinen Teil holen. („Die
Deutschen, ein Volk der Vorbestraften?“) Über siebzig Prozent oder mehr der
Knackis sitzen wegen Diebstahl oder ähnlichem.
Die Lumpen, so die Herren Marxisten, sind keine Bündnispartner.
Abschaum, fehlendes Klassenbewusstsein, „Lumpenproletarischer Strich statt
proletarischer Linie“(Berliner Extra-Dienst). Die Spaltung der Beherrschten
durch die Herrschenden wird vertieft und verinnerlicht. Man spaltet, statt zu
einen. Der Proletarier und sein in Akademikergehirne exiliertes Bewusstsein:
edel, hilfreich und gut. Schiller, nicht Marx. Merken nicht, wie versumpft, wie
bürgerlich sie geworden sind. Lenins Vorwurf gegenüber der Sozialdämokratie,
Hort der Arbeiteraristokratie zu sein, trifft nun Neo-Leninisten. Fleißig,
ehrlich, markig … Edelkommunisten und Edelkapitalisten und Edeljournalisten in
einer Front.
Die Vulgärmarxisten – man fischt immer nur die Zitate aus den
blauen Bänden, die einem ins Konzept passen! - : „Lumpen werden in Krisenzeiten
gegen das Proletariat eingesetzt“. *Wessen
Söhne aber die Offiziere, Unteroffiziere, Zeitsoldaten der Bundeswehr.
Grenzschutz oder Polizei? Wessen Söhne die Zeitnehmer, die REFAschisten, die
Streikbrecher, die Werkschützer, die Verfasser der Lehrbücher? Die SA – eine
Lumpenorganisation? Die GSG 9 – alles ehemalige Obdachlose?*
*Wer macht die Krise, und wer arbeitet mit ihr? *Wer treibt die von ihr Betroffenen zu
Hitler, Mussolini, Filbinger, Dregger? Wer lernt nicht dazu – 1932 in Berlin,
Anfang der Siebziger in Reggio, Calabria.?
*Diebe, Mörder, Betrüger, Räuber? Die Herren Vulgärmarxisten
besitzen die Chuzpe, nach unten zu gucken, suchen sie welche. Statt nach oben.* Die Geschichte der klassischen
Arbeiterbewegung ist die Geschichte der ihrer Mythen. 1933 war die
Märchenstunde vorbei.
Und nimmt man ihn zur Kenntnis, den Lumpen, den Erniedrigten und
Beleidigten, den Deklassierten, denjenigen, den man mit Karabinerkolben in die
Produktion trieb und treibt, den Nigger in seiner ständigen – und stummen –
Revolte, dann braucht er „Führung“. Durch wen? Durch die Partei der
Arbeiterklasse. *Merke: ein
Mob von Lumpen mit einem Politologen an der Spitze ist kein Mob mehr. Ein Mob
von Deklassierten in der Revolte, mit sanfter Hand auf harmlose Abwege, in
Reformsackgassen geleitet, durch eine andere Partei der Arrrrbeiterklasse, ist
kein Mob mehr. Sondern eine Gruppe „empörter Bürger und Demokraten“. *
So
einfach ist das. Die Massen von Lumpen auf dem Friedhof Pere Lachaise, 1871,
von Spanien 1936, von Chile in den Poblaciones, sie haben keine
Geschichtsschreiber. Die Geschichte der Beziehungen des Proletariats und seiner
Organisationen zum Lumpenproletariat ist die Geschichte der Mythen. Und der
Instrumentalisierung. Die Vertreter von Lohnarbeit und Kapital stecken in einem
System. Kapitalismus – das bedeutet immer Selektion, sei es an der Rampe in
Auschwitz, sei es mit Zeugnisnoten. Bei den Aufständen des deutschen
Proletariats blieben die Zuchthaustore geschlossen. Das Prinzip der Selektion
blieb undurchbrochen.* Wer nur
„Freiheit für alle politischen Gefangenen“ fordert, selektiert, hat das Gesicht
seiner Gegner angenommen.*
Die Aufhebung der Spaltung der Beherrschten kann somit keine
taktische Frage sein, sondern ist Voraussetzung und Bestandteil revolutionärer
Strategie.
VI
Im Knast duzen wir uns
Auch im Knast „gesellt
sich gleich und gleich“. Beim „Hofgang“ und in der Freizeit tun sich
Junkies mit Junkies zusammen, die Penner mit den Pennern, die Türken mit den
Türken, die tätowierten Villenmarder mit ebendiesen, die Langhaarigen mit den
Langhaarigen usw. Aber: allein durch die räumliche Nähe, Drohung durch
„Sicherheit und Ordnung“, die Kasernierung mischen sich die Gefangenengruppen.
Die hergebrachte Subkultur weicht auf und macht einer anderen, neuen Platz. Das
zumeist aus dem Jiddischen stammende Rotwelsch der alten Knastologen verarmt einerseits,
wird andererseits durch Vokabeln aus der Rauschgift-und Politszene
angereichert. Das Klopfalfabet kennt fast keiner mehr. Dafür aber kennen heute
die Einbrecher und Diebe die Wirkung von Spasmo-Cibalgin* (fünf Zäpfchen gleichzeitig in den
Arsch schieben und „Abfahrt“)(*Schmerzmittel, 2003 vom Markt genommen,
RadChif)), von Valium und Dope. Karten und Glücksspiele haben nicht mehr
die hohen Einsätze wie früher. In den neuen Lagern zerbricht die alte
Hackordnung; die Hierarchie der Knackis zerfällt zunehmend. Zinssätze bei
Verleihgeschäften sinken. Die Ausplünderung der Ärmsten durch die Armen
vermindert sich, die Terms of trade, die Regeln des „Maggelns“ werden fairer.
Viele trauern den „guten alten Zuchthäusern“ nach. In Lagern wie
Ossendorf verzichteten viele auf Rechtsmittel wie Berufung oder Revision, der
tödlichen Zermürbung durch Beton & klinische Sauberkeit & Sicherheit
und Ordnung zu entkommen.
„Lieber scheiss ich im alten Klingelpütz aufn Kübel, als hier vor
die Hunde zu gehen…“
Der Isolierung wird immer mehr eine politisch begriffene
Solidarität entgegengesetzt: Hungerstreiks in Preungesheim und Tegel, Bruchsal
und Butzbach, Ossendorf und Mannheim erkämpfen manchmal winzige Zugeständnisse.
Der Reform der Arbeitsorganisation in einigen Lagern – Einführung von
Stempeluhr und Stundenlohn (zwischen 28 und 58 Pfennig) – entspricht ein neuer
Gefangenentypus: Wer den Knast zur Fabrik macht, macht die Gefangenen zur
Klasse, die sich organisiert, zu sich findet, die Kampfformen des Proletariats
entdeckt: Streik, Boykott, Sabotage.
Mit dem Ethos des Facharbeiters, der domestizierten und in
Reformparteien organisierten Arbeiteraristokratie, hat man nicht viel am Hut. *Die Kämpfe des kasernierten und
nicht-kasernierten Lumpenproletariats werden militanter sein als die des
mobilen Massenarbeiters. Nicht aus „Vergnügen“, sondern aus Wut. Wem sozialer
Aufstieg versperrt ist, kommt (praktisch) nicht dazu, ihn mit Emanzipation zu
verwechseln. Wer die Gesetze des Dschungels in ihrer totalen Härte kennen
gelernt hat, wird die Härte des Dschungels in den Kampf tragen.*
Berufsverbot? Man
hatte nie einen Beruf, oder wenn man einen hatte, war er es nicht wert, ihn zu
verteidigen. „Kampf dem Abbau
der demokratischen Grundrechte“? Man besaß nie welche, die „Demokratie war noch nie zu uns
heruntergestiegen“( Gefangenenrat).
Unterdrückung, Repression, Tränengas, Minenwerfer, Polizei,
Grenzschutz? Klassen-erfahrungen, seit man aus dem Mutterleib kam.
Keine andere Klasse wird sich für die Zerstörung von
Reformillusionen derart hart rächen wie die der Lumpen. In keiner anderen
Klasse waren Reformversprechen auf einen solchen Hunger gestoßen. Die Klasse,
die wirklich nur noch ihre „Ketten zu verlieren“ hat, wird immer größer. In den
Metropolen, diesmal. Die herrschende Klasse führte gegen die Lumpen schon immer
Krieg. „Das Lumpenproletariat, diese Horde von Ausgehungerten … bildet eine
der spontansten und radikalsten unter den revolutionären Kräften eines
kolonisierten Volkes.“ (Fanon)
Die Verschärfung der Krisen des Weltkapitalismus führt
zwangsläufig zu einer immer größer werden Kolonisierung des Volkes – in den
Metropolen.
Erst die Vertiefung der Spaltung zwischen den Triebkräften der
Sozialen Revolution durch eine elitäre Ideologie treibt die Lumpen dazu,
Handlanger der Konterrevolution zu sein.
„Marxisten mögt ihr sein. Aber keine Revolutionäre“, schleuderte der Frankfurter
Gefangenenrat den theoretischen Saubermännern in der Linken entgegen. Die
Einigung der Volkskräfte und die praktische Anwendung der Solidarität sind
Prozesse. In widersprüchlichen Lernprozessen vollzieht sich zurzeit, langsam
aber stetig, die Bewusstwerdung der Lumpen in den modernen
bundesrepublikanischen Zwangslagern. Wer diese Prozesse stört, hilft den
Herrschenden. *Wer
Solidarität instrumentalisiert, besorgt das Geschäft der Kolonialherren. Solidarität
ist unteilbar, oder sie ist nicht*. Der
sich entwickelnde Kampf der Lumpen zum Klassenkampf hin macht Solidarität
sinnlich erfahrbar – und setzt sie voraus. Aktiv
werden heißt für die Lumpen, das „einzige Mittel zu ergreifen, um vom
tierischen Zustand zum menschlichen Zustand zu gelangen“, heißt „ nicht,
Politik machen“ (Fanon). Die aktive und solidarische Unterstützung des Kampfes
der Lumpen ist für andere Teile des revolutionären Subjekts, des „Gesamtarbeiters“,
unabdingbar und lebenswichtig.
Eine „Gewaltfrage“ gibt es für die internierte Klasse
nicht. Gewalt ist absolute Praxis, Klassenerfahrung, Klassenalltag. Mehr als
alle anderen Klassen weiß das Lumpenproletariat, dass „zwischen
Unterdrückern und Unterdrückten keine Frage gelöst wird, es sei denn durch
Gewalt“(Fanon). Wer sich nicht die Hände schmutzig machen will, hat gar
nicht erst vor anzufangen. Die Lumpen gehören nicht zu denen, die vor Dreck
Angst haben. Ihre Perspektive kann auch nicht mehr sein, individuell befreite
Sklaven, Freigelassene zu werden. Da hat das Kapital die Schranke gesetzt.
*Das Lumpenproletariat braucht keine „Führer“ aus anderen Klassen,
es braucht auch keine Sprüche oder weisen Ratschläge. Es braucht unabdingbar
die Solidarität, die organisierte Hilfe jener, die an einer völligen Umwälzung
der Welt interessiert sind. Um das „Gewaltverhältnis“ umzudrehen,
bedarf es praktischer Mittel. Dann „kommandiert Freitag, und Robinson muss
schanzen“ (Engels). Die ständige „Frontexistenz“ (Marx) des Lumpenproletariats
lehrt es, welcher Mittel es bedarf. Darüber hat es keine Illusionen. Das
unterscheidet Lumpenproletariat von der Lumpenbourgeoisie. Solidarität lernen
müssen wir alle.
Knast stellt die genaueste aller möglichen besten (Kauf-und
Verkaufs-)Welten dar. Wer im Knast ist, hat gegen die Ehernen Gesetze
verstoßen: Mehrwert schaffen und Eigentum achten! Individuell verstoßen. Diesen
individuellen, bewusstlosen Protest organisatorisch auf den Begriff zu bringen,
am Wesen zu rütteln, statt an Symptomen, dies ist ein langer, ungemein harter
Lernprozess. Alles muss getan werden, diesen Prozess vorbehaltlos zu
unterstützen, „drinnen“ wie „draußen“.
Wir nennen uns hier „Bruder“,
nicht „Genosse“. Das rührt daher, dass zwischen Elbe und Wladiwostok das
gleiche Knastsystem herrscht – und die Schließer und Kommandanten dort sich
„Genossen“ nennen.
Noch ist Brüderlichkeit im Knast unterentwickelt. Knackis können
und müssen von weiblichen Gefangenen lernen, deren Schwesterlichkeit weiter
entwickelt ist – und sich nicht am Geschlecht festmacht (die Schließerinnen
sind auch Frauen ….)
Die Zukunft des Vollzuges in der Bundesrepublik und Westberlin:
Attica. Alles muss getan werden, die Opfer, die es in Attica gab, hier zu
verhindern. Nicht dadurch, dass weniger oder gar nicht gekämpft wird, sondern
dadurch, dass mehr und umsichtiger, illusionsloser gekämpft wird. Dazu ist es
notwendig, dass alle Knast-und „Resozialisierungsgruppen“ der Linken sich
bemühen, in ihrer Arbeit den Klassenzusammenhang der Knackis zu
berücksichtigen, helfen, ihn wieder herzustellen. Fabrik, Uni, Stadtteil,
Knast: eine Front. Der
Gesamtarbeiter darf nicht kämpfen, wo der Klassengegner das Schlachtfeld
lokalisiert. Krieg herrscht da, wo man ihn hinträgt. Aufbrechen heißt: heute
aufbrechen. Nicht erst dann, wenn man Verlierer ist. Aufbrechen heißt: heute aufklären,
miteinander reden, den Aufstand planen, schreien, nicht dann, wenn einem die
Stimmbänder schon durchgeschnitten sind. Das Ziel setzt die Moral. Und:
„Moralist sein heißt für den Kolonisierten etwas Handfestes: es
heißt, den Dünkel des Kolonialherren zum Schweigen zu bringen, seine offene
Gewalt zu brechen, mit einem Wort: ihn rundweg von der Bildfläche zu
vertreiben.“ (Fanon)
Die BRD sei nicht 3.Welt? Der Kapitalismus nicht mit dem
Kolonialsystem zu vergleichen? Die Knastkommandantur mit ihren Bütteln nicht
mit der Fremdenlegion? Dann komm doch mal her. Oder bleib da, wo du bist –
Mannheim und Stammheim in Potenz, Sétif, kommen bald zu dir. Was in Ossendorf,
Santa Fu, Stammheim, Mannheim, Bruchsal vorgeht, ist nur die Antizipation
dessen, was außerhalb von Ossendorf, Santa Fu, Stammheim, Mannheim und Bruchsal
vorgehen wird.
Hier kommt man uns, wie man den Massen in der 3.Welt schon lange
kommt. Italienische Arbeiter im „Heißen Herbst“ 1969 hängten bei FIAT dies
Plakat auf: „Agnelli ! Vietnam ist hier, in deiner Fabrik.“
Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam….!
(aus: Peter Paul Zahl: Die Stille und das Grelle, Frankfurt
1981)