Montag, 30. November 2015

Widerstand und Solidarität im Knast !






„Wenn Du als libertärer Gefangener im Knast landest, hast Du grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder schottest Du Dich weitgehend von der Knastrealität ab und gestaltest Dein soziales und politisches Leben weitgehend durch den Kontakt zu den GenossInnen draußen. Oder - Du läßt Dich auf Dein nun vorhandenes Knastumfeld ein. Dann wird es spannend. Dein neues Umfeld im Knast unterscheidet sich ja nunmal ziemlich grundsätzlich von den politischen Ghettos in denen wir uns draußen ja alle mehr oder weniger bewegen. Wenn du also bereit bist, dich auf den Knast als neues Kampffeld einzulassen, stehst du vor der Bündnisfrage. Eine zugegeben schwierige aber nicht unlösbare Aufgabe. Bei mir war es während meiner Knastzeit so, daß dieses Bündnis
zunächst auf einer menschlich-sozialen Ebene entstand. Einfacher ausgedrückt. Ich hab erstmal geguckt, wer ist mir menschlich sympatisch, wer verhält sich im Alltag solidarisch, wer kooperiert nicht mit den Bütteln. Andersrum ausgedrückt, ich hab mir im Knast erst mal einen Freundeskreis gesucht und bin dann mit denen in die politische Offensive gegangen. Ich glaube, daß es andersrum nicht funktionieren kann. …“ (G. Antiknastaktivist)




Ja, stimmt schon: Widerstand im Gefängnis selber kann anstrengend und gefährlich sein, und es ist geraten, die Kämpfe zu wählen und Energie sparen für Angelegenheiten, die wirklich wichtig sind. Und das gilt immer und von vorneweg: sich eine Gruppe suchen, als Rückhalt, als Aktionsplattform.
Um sich im Gefängnis zu organisieren, behaltet nach aussen ein neutrales Profil und vermeidet es, den Wachen direkt gegenüberzustehen. Wachen fürchten Unruhen und suchen immer schnell nach potentiellen Angreifer*innen, suchen sich oft aggressiv wirkende Gefangene aus. Was auch immer eure Ansichten über Gewalt und Gewaltlosigkeit sein mögen, die Kämpfe gegen die Wachen im Inneren des Gefängnisses führt in der Regel in die Iso, Verletzungen bei euch und möglicherweise zu mehr Repression. (Besonders auffällige Wachen sind eine Angelegenheit für die Freund*innen draußen). Fasten oder Hungerstreik mag strategisch ein Werkzeug sein, aber schnell wird euer Urteil dadurch getrübt, eure Reaktionen und Entscheidungen stark beeinträchtigt. Dabei auf  jeden Fall durch Kontakt nach draußen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit heranholen – und im Gefängnis selbst einen „Esser“ ernennen, der vor Ort helfen kann, sich um euch sorgen und die Gesundheit kontrollieren kann.

Der Widerstand muss nicht nur mit Leid verbunden sein, sondern kann höchst kreativ sein. Wir können die Zeit im Gefängnis nutzen, um Fertigkeiten zu teilen, einander lehren und lernen. Werkzeuge organisieren, politische Diskussionen halten usw. Wir können auch Lieder, Gedichte und viele andere Formen der Unterstützung bzw. Ermutigung teilen. Und natürlich Besprechungen abhalten, um über Strategien zu entscheiden. Aber – endlose Besprechungen können anstrengend und kontraproduktiv sein – ihr seid hier im Gefängnis — und denkt daran, daß Zellen und Telefone überwacht sind. Überlegt euch „Gefangenen namen“ – macht ihr beim Internet draussen ja auch. Das Gefängnis ist auch kein Ort, wo ihr eure Mitgefangenen mit dem Erzählen eurer vorherigen Verhaftungen langweilen könnt.




Solidarität mit anderen Gefangenen ist am effektivisten, wenn möglichst alle dieselbe Sache machen, so z.B. sind Aktionen für die gleiche Behandlung bei Verurteilungen und Gefängnisaufenthalten die, die am ehesten gelingen können und Mut und Vertrauen bringen für weitere, weitgehendere Aktionen.
Verschiedene Leute – auch entsprechende Behörden – versuchen uns häufig einzuschüchtern, gegeneinander auszuspielen, malen angsteinflößende Bilder, erzählen uns Geschichten wie  der Gefangene ist oder z.b. „antisozial“ der andere .
Aber in der Regel sind auch diese Gefangenen unterstützend oder zumindest den  Aktivist*innen gegenüber neutral. Ihr seid in einem System, wo vor allem Arme, People of Colour u.ä. entrechtet und entmachtet wurden. In einer Gruppe von Protestierenden ergibt sich dadurch ein neues Niveau der persönlichen und politischen Kraft. Wenn wir diese Kraft einsetzen, müssen wir die Wirksamkeit unseres Daseins vor allem bei den Gefangenen reflektieren, die all diese Mittel nicht oder nicht mehr haben.

Eine Gefängniserfahrung kann euch in kurzer Zeit mehr über das wahre Wesen von Unterdrückung lehren als Jahre des Studiums. Unsere Aufgabe ist es daher, diese Kenntnisse und unsere Wut darüber einzusetzen, für die wirkliche Gerechtigkeit für alle Gefangenen zu arbeiten.
Wir wissen, daß es hier ein Mikrokosmos dieser verfuckten Gesellschaft ist und wir wissen, wie schwierig es ist, diese auch nur ne Zeitlang ins Kippen zu bringen. Es gibt andereseits genügend Beispiele der täglichen Solidarität und Unterstützung in den Gefängnissen, bis hin zu grösseren Aktionen ( z.b. gemeinsames Fasten, nichtkooperative Handlungen ), die oft wie aus dem Nichts entstehen — schaut und handelt , ihr habt ja sonst nichts anderes zu tun.







Mittwoch, 25. November 2015

Hinter den Gittern dieser Welt: Canciones de Carcel: Il galeone

„Siamo la ci­ur­ma an­emi­ca/ d’una ga­le­ra in­fa­me/ su cui ratta la morte/ miete per lenta fame.
Mai oriz­zon­ti lim­pi­di/ schi­ude la nost­ra au­ro­ra/ e sulla tolda squal­li­da/ urla la scol­ta ogno­ra.
I nost­ri dì si in­vo­la­no/ fra fe­ti­de ca­re­ne/ siam magri smun­ti schia­vi/ stret­ti in ferro ca­te­ne.
Sorge sul mar la luna/ ruo­tan le stel­le in cielo/ ma sulle nost­re luci/ steso è un fu­ne­reo velo.
Torme di schia­vi adus­ti/ chini a gemer sul remo/ spez­ziam ques­te ca­te­ne/ o chini a remar mor­re­mo!
Cos’è ge­men­ti schia­vi/ ques­to remar re­ma­re?/ Me­glio morir tra i flut­ti/ sul bi­an­cheg­gi­ar del mare.
Re­miam finché la nave/ si schian­ti sui fran­gen­ti/ alte le ross­one­re/ fra il si­bi­lar dei venti!
E sia pie­to­sa col­tri­ce/ l’onda spu­mo­sa e ria/ ma sorga un dì sui mar­ti­ri/ il sol dell’an­ar­chia.
Su schia­vi all’armi all’armi!/ Pug­nam col brac­cio forte!/ Gi­uri­am gi­uri­am gius­ti­zia!/
O li­bertà o morte!




(Wir sind die kraft­lo­sen in­sas­sen/ eines schänd­li­chen ge­fäng­nis­ses/ in dem durch lang­sa­mes ver­hun­gern der schnel­le tod wütet/ Keine kla­ren ho­ri­zon­te er­hel­len un­se­re dun­kel­heit/ und über der schä­bi­gen decke/ schrei­en die wär­ter jede stun­de/ Un­se­re tage ver­si­ckern/zwi­schen stin­ken­den kie­len/ wir sind ab­ge­ma­gert, fahl/Skla­ven ge­bun­den an ei­ser­nen ket­ten/Der mond steigt über der see/dreht sich um die ster­ne am him­mel/doch über un­se­ren lich­tern liegt ein to­ten­schlei­er/ Mann­schaft was­ser­lo­ser Skla­ven/ob ent­schlos­sen an den ru­dern zu lei­den/die ket­ten zu spren­gen oder wei­ter zu ru­dern/wir wer­den ster­ben
Ihr lei­den­den skla­ven/ was hat dies ru­dern für einen sinn?/bes­ser zwi­schen den wel­len der blei­chen see zu ster­ben/
Wir ru­dern/ bis das schiff am riff zer­schellt/er­he­ben die schwarz-​ro­te fahne/in die rau­schen­den winde/Und in die schau­mi­ge und fre­vel­haf­te welle/mit­leids­voll ge­bet­tet/geht eines Tages /über die mär­ty­rer/ die sonne der an­ar­chie auf
Kommt skla­ven zu den waf­fen, zu den waf­fen/ kämpft mit star­ken armen/ schwört, schwört ge­rech­tig­keit/ frei­heit oder tod)


Getextet von Belgrado Pedrini, der zur Zeit des faschistischen Italiens selber einige Zeit im Gefängnis sass und bis 1949 militant gegen die Faschisten kämpfte, vor allem in der Gegend der Apuanischen Alpen, die bekannt ist für ihren bewaffneten antifaschistischen Kampf. 1949 wurde er wegen einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit den "Schwarzhemden" zu lebenslangem Kerker bestraftDas Lied schrieb er in dieser Zeit (1967)unter dem Titel "Sklaven". 1975 wurde er - auch durch eine intensiven Kampagne, aus dem Knast entlassen Er starb in Carrara am 11.Februar 1979. 

Dienstag, 24. November 2015

Sterben für den Mindestlohn !? Statt Streik und Boykott -- Gefängnisarbeiter opfern sich auf ?

Eigentlich sollte die Gründung einer "Gefangenengewerkschaft" den arbeitenden Gefangenen Mut machen, Auftrieb geben, so was wie "Klassenbewusstsein" verschaffen und dadurch auch die entsprechenden Methoden eines Arbeitskampfes eröffnen, Arbeitsniederlegungen, Boykott, Streik, Sabotage ... eine grosse Palette von Widerstandshandlungen, um - wie in der JVA Butzbach -Mindestlohn und Rentenversicherung für alle ARBEITENDEN Gefangenen, Tariffähigkeit und Abschaffung der Arbeitspflicht durchzusetzen.
 Das Grundproblem ist die Nichtanerkennung des hessischen Justizministeriums, die die Arbeit nicht als Lohnarbeit anerkennen und die Arbeitspflicht -die in manchen Bundesländern schon abgeschafft ist - als Notwendigkeit der Resozialisierung sehen wollen( sozusagen als ne Einübung in die kapitalistische (Aussen)welt, die viele von ihnen - nebenbei bemerkt - in den Knast gebracht hat.)
Weil die entsprechende Justizministerin Eva Kühne-Höhrmann(CDU) mit den Gefangenen darüber nicht reden will, nun also die Ankündigung der arbeitenden Gefangenen, ihr Leben dafür einzusetzen(für das Gespräch)?
Daß sich (noch) keine entsprechenden Widerstandsformen(siehe oben) entwickelt hat, heisst für uns nicht, nun in totaler Solidarität mit den eventuellen Hungerstreikenden zu gehen und andere, effektivere Möglichkeiten nicht vorzuschlagen.

Für uns ist der Hungerstreik, das Einsetzen des eigenen Lebens bis vielleicht hin zum Tod, ein Mittel, das letzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten nicht mehr vorhanden sind - wenn jede/r einzelne sich in den Isozellen des Knastes befindet, getrennt von den anderen, 24 stunden überwacht und den Kommandos der JVA ausgesetzt ---




Wir wissen von daher nicht, ob es sich um einen eben unbefristeten Hungerstreik oder eher um einen sogenannten Protesthungerstreik handelt, beim wir uns dann schon fragen, was soll das - da gibt es eigentlich andere Kampfmethoden (siehe oben).

 Es bleibt darüberhinaus die Frage, an wen sich der Hungerstreik richtet -an die Justiz,  an uns draussen mit der Aufforderung: Tut was lasst uns hier nicht sterben. Daß sich die Justiz davon beeindrucken lässt, erscheint uns nicht vorstellbar - täglich werden Gefangene in den Selbstmord getrieben, medizinische Versorgungen verweigert - und jetzt soll dieses System sowas wie "Ethik" zeigen?

Ein Hungerstreik ist eine sehr ernste und sehr gefährliche Protestform. Da er zum Tod führen kann, sollte er wirklich nur als letzten Ausweg oder in ganz extremen Notfällen genutzt werden. Irgendwie erscheint aber dieses Mittel als Allheilmittel, ja ist richtig salonfähig geworden - Politiker*innen und Kriegsverbrecher gebrauchen es wie Flüchtlinge usw. Sie wird genutzt, um durch eine so erzwungene Solidarität sich oder ihr Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Mit ihrem Appellcharakter und ihrer pathetischen und radikale Geste, den eigenen Körper zur "Waffe" zu machen, indem sie ihn  auslöschen, sind die Hungerstreikenden dadurch an einer grundlegenden Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht interessiert.

 Diese Verhältnisse, dieses herrschende System, verhält sich nicht human - würde es sich in seinen täglichen Handlungen human verhalten, würde es keine Knäste bauen. Ein Knastsystem, das sich humanitär erpressen lässt, braucht demzufolge auch nicht abgeschafft werden.

Sollten die Gefangenen dann doch glauben, mit Hungerstreiks an das "Herz der Bestie" rühren zu können, hoffen wir inständig, dass einige dieser Tips angenommen werden können:

* Trinkt viel Wasser – ihr könnt ein paar Wochen ohne Nahrung
überleben, aber innerhalb weniger Tage ohne Wasser sterben.
* Fruchtsäfte und Suppen usw. führen euch ein Minimum an grundlegenden
Nährstoffen zu.
* Sucht euch einen bequemen Platz und bleibt dort. Spart so viel
Energie wie möglich.
* Haltet euch in der Kälte warm und in der Hitze kühl – ihr unterwerft
euren Körper einen unglaublichen Missbrauch, der dadurch
mehr und mehr die natürliche Fähigkeit verliert, sich gegen die
Elemente zu schützen.

Zu den Alternativen des Kampfes haben wir ja schon oben einiges gesagt --- der Kampf selber wird allerdings im Knast geführt und in der Konsequenz eine Entscheidung der jeweiligen Gefangenen. Möge er - wie er dann auch geführt wird - uns alle im Widerstand gegen die Knastgesellschaft weiterbringen !!!



Demokratie meint Knast

Diejenigen, die die Autorität des Staates nicht akzeptieren, müssen isoliert werden, bevor ihr Ungehorsam sich auf den Rest der Bevölkerung ausbreitet.
Uns wird gesagt, daß Gefängnisse uns schützen, aber die einzige Konstante seit ihrer Erfindung besteht darin, daß sie den Staat schützen soll vor denen, die ihn gefährden könnten.

In der Realität gefährden die Herrschenden durch das Auseinander brechen von Gemeinschaften und dem Fördern antisozialer Tendenzen nur diejenigen von uns, die noch nicht in Schloss und Riegel sind.
Ohne Gefängnisse wird es Anarchie geben. Leute müssen ihre Konflikte direkt austragen, statt die Behörden zu rufen. Und es wird nicht mehr möglich sein, die Ungleichheit dieser Gesellschaft unter den Teppich zu kehren.

Kurzen Prozeß mit der Knastgesellschaft. Die Abschaffung der Gefängnisse...

"Eine Gesellschaft kann mit den von ihr hervorgebrachten "Kriminellen" kurzen Prozeß machen. Aber eine solche Gesellschaft ist selbst so brutal, daß sie kaum noch eine moralische Rechtfertigung hat, überhaupt gegen "Kriminelle"vorzugehen. Eine solche Gesellschaft wird beides haben: Terror von oben und Kriminalität. Eine Lösung der der Kriminalität zugrundeliegenden Probleme muß und wird in der Beseitigung des Strafprinzips, des Gefängnisses und letzlich auch des Staates münden und in der Errichtung einer Gesellschaft, die als Schutzwehr gegen Brutalität einzig ihre Güte hat"  Jessica Mitford (aus dem Anhang der deutschen Ausgabe von 1977)

Inhalt:
1. Das reformistische Konzept
2. Das Konzept der Abschaffung
3. Falsche Freunde
4. Argumente für die Abschaffung der Gefängnisse
5. Das Massachusett-Experiment
6. Auswertung des Massachusett-Experiments
7. Wer ist „gefährlich“
8. Das Gefängnis als politische Waffe der Herrschenden
9. Alle Gefangenen sind politische Gefangene
10. Die Reformisten
11. Negative und positive Reformen
12. Die Organisation der Gefangenen
13. Schluss







Die gesamte Broschüre hier: 
https://archive.org/details/JessicaMitfordFrDieAbschaffungDerGefngnisse

Wir sind nicht frei, es fehlen die Gefangenen !



***Mailadresse von Abolisha: aboli@riseup.net***