Der folgende Artikel war für die Nummer 3 der Gefangenengewerkschaft/BO "Outbreak" geschrieben worden. Aus nicht erklärten Gründen wurde er von der Redaktion abgelehnt. Zu den Hintergründen können wir nur spekulieren, z.b. darüber, dass die momentan Herrschenden nicht vergrätzt werden sollen, wenn neben der Forderung nach Mindestlohn im Knast nun auch noch die "Arbeitsscheuen"im Knast mehr Geld fordern....
Wir veröffentlichen diesen Text, weil wir auf Seite der Gefangenen sind und keine Kollaboration mit den jeweils Mächtigen jemals angestrebt haben und auch nicht anstreben wollen/werden....(siehe auch hier: https://radiochiflada.blogspot.de/2017/02/gefangenengewerkschaft-auch.html
(Hier gehts im Text weiter)
http://akpradio.podspot.de/files/akp%20%289%29.mp3 (Hier das Interview mit dem Autor zum nachfolgenden text)
Die Gründung der
Gefangenengewerkschaft vor drei Jahren hat den
Blick wieder gerichtet auf einen wichtigen Teil des Knastalltags,
die
Arbeit der Gefangenen. Eigentlich ist es ja ein Irrsinn, diejenigen,
die einen einsperren, auch noch mit seiner Arbeit zu unterstützen.
Warum tun es trotzdem die meisten Gefangenen, obwohl sie nur ein
Butterbrot verdienen und die Arbeit oftmals immer noch stupide ist?
Drinnen wie draußen wird unter Zwang gearbeitet. Dies gilt zumindest
für uns Billiglöhner. Draußen erfolgt der Druck über die
ökonomische Schiene. Wenn Du nicht jeden Drecksjob annimmst, kriegst
du kein
Hartz 4 mehr. Drinnen kriegst Du eh kein Hartz 4, sondern ein
Taschengeld von etwa
30 Euro (ist von Bundesland zu Bundesland
unterschiedlich).
Aber selbst dieses Taschengeld wird Dir gestrichen,
wenn Du die Zwangsarbeit verweigerst.
Auch wenn einzelne Bundesländer
die Arbeitspflicht abgeschafft haben oder dies planen – in den
allermeisten Bundesländern herrscht noch Arbeitspflicht, d.h.
Zwangsarbeit. Wer dies verweigert kann mit Hausstrafen, z.B. Arrest
bestraft werden. Hinzu kommt, daß in den allermeisten Knästen
während der Arbeitszeit die Zellen geschlossen sind. Wer also nicht
arbeiten geht, bleibt in seiner Zelle eingeschlossen. Wer die
Zwangsarbeit also verweigert sitzt fast 23 Stunden alleine in der
Zelle, bekommt noch nicht mal den Taschengeldeinkauf und riskiert
noch Hausstrafen. Nicht JedeR ist zum“Helden“ oder zur „Heldin“
geboren. Da macht es dann schon Sinn, sich zusammenzuschließen und
gemeinsam für Veränderung zu kämpfen.
Apropos Kämpfen. Schon vor der Gründung der
Gefangenengewerkschaft war die
Zwangsarbeit und der Kampf dagegen ein
Thema unter den Gefangenen. Während meiner Haftzeit in den 70er und
80er Jahren hörte ich es immer wieder: "Wenn wir morgen nicht
zur Arbeit ausrücken, bricht alles zusammen. Ich würd ja mitmachen,
aber die anderen..." Ja, ja, immer die bösen anderen
. In der
JVA Straubing gab es in den 80er Jahren eine Verabredung zu einem
wilden Streik. Leider sind dann 90% morgens doch zur Arbeit
gelatscht. Die Angst war wohl doch zu groß. In Ermangelung eines
großen Streiks fand der Kampf gegen die Zwangsarbeit dann in
bescheidenerem Rahmen statt. Beliebt waren beispielsweise kleinere
Sabotageaktionen. In einer Anstaltsdruckerei wurden Haftbefehle
gedruckt. Leider schlich sich ein kleiner Druckfehler ein. So mußten
Berge von Haftbefehlen vernichtet werden. Ach wie schade. Etwas mehr
Aufmerksamkeit fand eine Aktion der gefangenen Arbeiterinnen in der
JVA Plötzensee. Diese mußten Einwegbesteck für die Lufthansa in
Tütchen einpacken. Leider fanden die Flugpassagiere in diesen
Tütchen auch Zettelchen, auf denen stand dann „
made in
Zwangsarbeit“ oder „an Bord befindet sich eine Bombe“. Manchmal
war dem Besteck auch ein Haar oder wenig appetitanregende Dinge
beigefügt. Nach mehrfachen Protesten von Fluggästen zog die
Lufthansa den Auftrag an die JVA Plötzensee zurück. Ach wie schade.
Dies waren aber nur einzelne spektakuläre Aktionen. Weit
verbreitet war dagegen so eine Art Dienst nach Vorschrift. Mann oder
Frau hat also nur das getan, was unbedingt sein musste, um nicht
sanktioniert zu werden. Woher sollte auch die Lust an der Arbeit
kommen, wenn mensch dazu gezwungen wird und dafür nur ein kleines
Taschengeld kriegt?
Es ist ein Verdienst der Gefangenengewerkschaft,
die ökonomische Situation der Gefangenen einer breiteren
Öffentlichkeit zu vermitteln. Ging es zu Beginn nur um die
Gefangenen, die Zwangsarbeit leisten, so findet langsam auch eine
Öffnung hin zu den nichtarbeitenden Gefangenen statt. Für mich ist
das ein entscheidender Punkt.
Für Außenstehende mag es ja
verwunderlich sein, dass sich viele Gefangene geradezu drum reißen,
für 100 Euro einen miesen Knastjob machen zu können. Erklärbar ist
dies nur mit der erbärmlichen ökonomischen Situation der
nichtarbeitenden Gefangenen.
Ein sogenannter Sozialeinkauf von 30-40
Euro im Monat ist einfach ein Witz. Das ist gerade mal ein Euro am
Tag.
Den schönen Worten, die PolitikerInnen in ihre
Strafvollzugsgesetze schreiben, steht dieser erbärmliche Euro am Tag
gegenüber. "Angleichung der Lebensverhältnisse mit denen
draußen" usw. Alles Blabla. Was bleibt, ist dieser jämmerliche
Euro am Tag. Soviel ist den meisten ParlamentarierInnen einE
GefangeneR wert.
Eine Anhebung des Sozialeinkaufs auf 5 Euro am Tag
wäre kein großer Schritt und würde das Land nicht an den Rande des
Ruins bringen.
Solange aber in- und außerhalb der Parlamente viele
der Ansicht sind, dass es den Gefangenen ohnehin zu gut geht, ist
eine schnellere Verbesserung nicht zu erwarten. Wir werden noch viel
Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis sich was verändert.
Wir alle wissen, wie beschissen Hartz4 und die Grundsicherung
sind. Trotzdem wäre es unter dem
Angleichungsgrundsatz das
Sinnvollste, die Gefangenen in das System von Hartz4 oder
Grundsicherung einzubeziehen bzw. sich dem anzunähern (ohne
allerdings all die Schikanen von Hartz 4 zu übernehmen)
Im
Klartext:
nichtarbeitende Gefangene erhalten einen Geldwert, der dem
von Hartz 4 entspricht.. Davon wird die Gemeinschaftsverpflegung
abgezogen. Der Verpflegungssatz liegt je nach Bundesland bei etwa 220
Euro. Der Rest steht den Gefangenen zum Einkauf zur Verfügung. So
einfach ist das.
Warum fallen Hart4 EmpfängerInnen eigentlich sofort mit der
Inhaftierung aus dem Leistungsbezug raus? Dies hat mit dem
pervertierten Arbeitsbegriff in diesem Land zu tun. Hunderttausende
arbeiten den ganzen Tag, aber ihre Arbeit wird nicht als Arbeit
anerkannt. Dies gilt nicht nur für die Gefangenen, sondern u.a. auch
für Menschen in Behinderteneinrichtungen, Psychiatrien,
Ein-Euro-Jobber usw.
Wie absurd die gesellschaftliche Definition von Arbeit ist, will
ich an drei Beispielen verdeutlichen:
- Eine Mutter mit 4 Kinder kümmert sich 24 Stunden um die Kinder.
Keine Arbeit? Eine Kindergärtnerin kümmert sich 8 Stunden um 6
Kinder. Arbeit!
- Ein Mensch im Miele-Werk baut Schalter in einen Staubsauger ein.
Arbeit! Ein Mensch in der JVA-Rheinbach stellt Kabeltrommeln für
diesen Staubsauger her. Keine Arbeit?
- Ich schreibe diesen Artikel. Keine Arbeit? Ich schreibe diesen
Artikel als angestellter Journalist. Arbeit!
Dahinter steckt das Bestreben, möglichst viel Arbeit schlecht
oder garnicht zu bezahlen. Diese Haltung ist besonders bei denen
ausgeprägt, die selber über ein hohes Einkommen verfügen. Ich
denke, je mehr mensch sich mit der Gefangenengewerkschaft
beschäftigt, desto mehr wird mensch bemerken, wie ungerecht diese
Gesellschaft ist. Alles hängt davon ab, dass Arbeit endlich als
Arbeit anerkannt wird. Die Herrschenden sind dabei durchaus
widersprüchlich. Einerseits schreiben sie, dass die Gefangenen zur
Arbeit verpflichtet sind, andrerseits behaupten sie, dass dies gar
keine Arbeit sei. Sie drehen es sich eben so, wie es am Besten passt.
Die Frage ist nun, was dagegen zu tun ist. Öffentlichkeit
schaffen, Bündnispartner suchen - alles wichtig und gut.
Letztendlich wird aber eine Gewerkschaft, die nicht in der Lage ist
Arbeitskämpfe zu führen, nicht wirklich ernst genommen. Nun haben
Gefangene kein Streikrecht, da sie ja von den Wortjongleuren zu
NichtarbeiterInnen erklärt werden.
Es muss also ein Ziel der
Gefangenengewerkschaft sein, das Streikrecht für die Gefangenen
durchzusetzen.
Auf dem Weg dahin ist es sicherlich sinnvoll, die
Firmen öffentlich zu machen, die von der "Beschäftigungstherapie"
der Gefangenen profitieren. MancheR wird sich da wundern, wer da dann
alles auf der Liste steht. Automobilkonzerne, Miele, Gardena und
viele andere. Das who is who der deutschen Industrie. Eigentlich
müssten zumindest die gewerkschaftlich organisierten KollegInnen in
diesen Konzernen sagen: "Unsere gefangenen KollegInnen müssen
auch anständig bezahlt werden". Soweit reicht aber bislang die
gewerkschaftliche Solidarität nicht. Wird Zeit, dass sich was dran
ändert.
G.