Auf diesem Blog hatten wir schon verschiedene Texte zur "Transformativen Gerechtigkeit (Transformative Justice) und "Gemeinschaftsverantwortung(community accountabilty) ... nun ist vor wenigen Tagen der nachfolgende Text erschienen, den wir selbstverständlich und mit tiefer Solidarität hier weiterverbreiten wollen.....
Liebe Leute, ihr haltet unsere erste Übersetzung in den Händen. Nach mühevollem Puzzlen von Wörtern und Diskutieren von Bedeutungen, freuen wir uns, endlich den roten Stift beiseite gelegt zu haben und nun stattdessen zu kopieren, zu falten und zu verteilen. Fast alles Material mit dem wir in den letzten Jahren gearbeitet haben ist auf Englisch, weshalb uns schnell klar wurde, dass es deutschsprachige Texte und Übersetzungen braucht, um die notwendigen Auseinandersetzungen zu Community Accountability auch im deutschsprachigen Kontext weiter zu bringen. Für unsere erste Übersetzung haben wir aus mehreren Gründen einen Text von der Gruppe CARA (Communities Against Rape & Abuse) aus Seattle, USA, ausgewählt, der 2006 in dem Buch The Color of Violence – the Incite! Anthology und 2008 in dem Onlinezine „The Revolution Starts at Home“ erschien. Der Text ist eine gute Einführung in das Thema und einer der ersten umfassenden Texte zur Community Accountability Arbeit. Im Text werden zum einen 10 Prinzipien als ein theoretischer Rahmen angeboten, zum Anderen gibt er durch drei Szenarien (Erfahrungsberichte) Einblicke in den Versuch einer Umsetzung. Dabei liegt der Fokus auf Communities of Color und die Verschränkung von strukturellen Machtverhältnissen, zwischenmenschlicher Gewalt und sexualisierter Gewalt. Wir denken, dass dieser Text zeigt, wie eine betroffenen-orientierte Arbeit der Community im Falle von Gewalt aussehen könnte, und auch, welche Herausforderungen es bei einer Verantwortungsübernahme von 2 Menschen, die Gewalt ausgeübt haben, zu bewältigen gilt.
https://www.transformativejustice.eu/wp-content/uploads/2017/04/Das-Risiko-wagen.pdf
Entstehungsgeschichte von Transformative Justice und Community Accountability
Innerhalb der sozialen Bewegungen der USA haben verschiedene Social Justice-Aktivist_innen die Vision einer Auseinandersetzung mit Gewalt entwickelt, die Sicherheit für marginalisierte Communities jenseits von staatlichen Institutionen (wie Polizei, Gefängnisse, psychiatrischen Institutionen, Kinder- und Jugendhilfe, Migrationsregime) aufbauen wollten.
Diese Auseinandersetzungen wurden vor allem von cis-Frauen und trans*-Menschen of Color entwickelt und getragen. Von ihnen wurden die Zusammenhänge zwischen staatlicher Gewalt und zwischenmenschlicher Gewalt aufgezeigt. Sie machten auch deutlich, dass es für sie keine Unterstützung, sondern weitere Gewalt mit sich bringt, sich an staatliche Institutionen zu wenden.
Die entwickelten Konzepte sind in enger Verbundenheit mit dem Widerstand gegen den industriellen Gefängnis-Komplex und einer starken Kritik am weißen Mainstream-Feminismus & institutiona-lisierter Anti-Gewalt Arbeit entwickelt worden. Denn diese Art von Arbeit produziert rassistische Kompliz_innenschaft und fördert rassistische Fahndungsraster sowie die Kriminalisierung und übermäßig hohe Inhaftierung von Schwarzen Menschen und People of Color, deren eigene Betroffenheit von sexualisierter Gewalt zu oft unsichtbar bleibt. Auf der Basis dieser Kritik wurden vielfältige Theorien und Praktiken erarbeitet, die sich unter den Überbegriffen Transformative Justice und Community Accountability wiederfinden und die mittlerweile auch in Europa und Australien ausprobiert werden.
Basis dieser Begriffe ist ein selbstorganisierter, community-basierter und nicht staatlich strukturierter Prozess zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Personen und zur Prävention zukünftiger Gewalt. Es geht darum, dass gewaltausübende Personen sowie deren Umfelder und Communities lernen sollen, Verantwortung für die ausgeübte Gewalt zu übernehmen. Definitionsmacht und Community Accountability
In vielen linkspolitisch-autonomen deutschsprachigen Zusammenhängen wird das Konzept der Definitionsmacht bei sexualisierter Gewalt verwendet, das in den 90er Jahren von feministischen FrauenLesben entwickelt wurde. Dieses Konzept wurde als eine Intervention in bestimmte Kontexte benutzt, die primär hetero und cis-männlich dominiert waren. Dabei ging es vor allem darum, die Unterstützung und Selbstbestimmung von und Parteilichkeit mit Betroffenen möglich zu machen und zu stärken. So wurde das individuelle Erleben von Gewalt und die Macht, das Erlebte auch als Gewalt zu benennen, als Ausgangspunkt gesetzt. Diese Herangehensweise finden wir weiterhin elementar. Der Fokus des Konzeptes der Definitionsmacht beschränkt sich jedoch auf Geschlechterverhältnisse und basiert auf einem weißen deutschen, heteronormativen/geschlechterbinären Blick auf das Thema.
Eine Auseinandersetzung mit (sexualisierter) Gewalt braucht aber unbedingt die Thematisierung von weiteren Machtverhältnissen. Wenn z.B. Rassismus und weiße Normen außen vor gelassen werden, scheitern Prozesse an vielen Punkten. Es geht uns hier darum, die bisher angewandten Praxen und Vorstellungen kritisch zu betrachten, weiter zu denken und zu verbinden. Darüber hinaus stellt für uns Community Accountability weiterführende Fragen: Wen schützt staatliche Gewalt und wem schadet sie? Wer hat Zugang zu welchen Räumen und Ressourcen, z.B. auch zu Diskursen um Definitionsmacht? Welche Gewalterfahrungen werden als solche wahrgenommen und warum, und welche nicht?
https://www.transformativejustice.eu/wp-content/uploads/2017/04/Das-Risiko-wagen.pdf
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