Der US
Gefängnisstreik vom September 2016 zeigte
die vielen
Möglichkeiten, die aus einer konsistenten Beziehungen
zwischen Gefangenen,
einer Koordinierung
unter Unterstützern
von außerhalb und den Aktionen
von gefangenen
Gefährten entstehen können.
Nachdem ich die Zeit hatte zu reflektieren,
fühlt es sich für mich wichtig an, zu formulieren,
was nicht funktioniert hat:
Welche Hindernisse
in den Weg der Revolte und ihrer
vielen Formen gelegt
wurden.
Der Artikel von Michael
Kimble teilt die
Erfahrung, wie sich das im Holman-Gefängnis,
eines der Zentren
des Streiks, ausgewirkt hat,
wo die gefangenen
Rebellen Krawall gemacht, Feuer
gelegt, Wärter
abgestochen und sogar eine Wachtel
getötet haben. Als
jemand, der von der anderen Seite
– ein Anarchist,
von außerhalb der Gitterstäbe, der
mit den
anarchistischen Gefährten drinnen kollaboriert
hat – in den
Streik involviert war, will ich eine weitere
Ebene zu der Kritik
von Michael hinzufügen, eine, die
auf die wachsende
Tendenz von dem abzielt, was ich als
„Gefangenenunterstützer“[1]
bezeichnen will.
Es gibt viele Leute,
die mit Gefangenen aus vielen verschiedenen
Gründen
kollaborieren: Unter anderen Familien
und Freunde, die
ihre Geliebten unterstützen,
Maoisten, die
versuchen neue Anhänger zu finden, karitative
Individuen und
religiöse Institutionen, die versuchen
die Fehlgeleiteten
zu „retten“, Organisatoren, die darauf hoffen die Gefängnisse durch legislative Kampagnen abzuschaffen ... und
Anarchisten, die Affinität mit
jenen finden, die
hinter Gitter revoltieren.
Auf was ich mich hier fokussieren will, sind die Organisatoren und
die Aktivisten –die generell in formalen Organisationen
arbeiten – und die
Tendenzen in diesen Gruppen,
die den Streik und
die Solidarität hin zu Führerschaft,
Gewaltlosigkeit und
Reform geführt haben.
Folgt dem Führer
Zentral für den
Mythos des Gefängnisstreiks war seine
Erschaffung durch
die sogenannten Anführer des
Gefängniskampfes.
Diese „Anführer“ waren, im Gegenteil
zu den Lügenmärchen
der Unterstützer von außerhalb,
einfach bestimmte
Individuen, die Aktivisten
von außerhalb sich
ausgesucht haben, um sie als „Repräsentanten“
der fortlaufenden
Revolten zu beschwören.
Wenn man sich das
näher ansieht, ist klar, wieso
diese bestimmten
Individuen ausgewählt wurden: Sie
bestärkten die
eigenen Strategien der Unterstützer von
Reform,
Respektabilität und der Gewaltfreiheit. Durch
das Auswählen
einzelner Individuen, die mit ihnen
übereinstimmten und
ihrer Erhöhung zu Sprechern des
Kampfes, in seiner
Gesamtheit, waren diese Aktivisten
dazu fähig, ihre
eigenen Strategien als „von den Gefangenen
kommend“ zu
legitimieren.
Dieser Neigung hin
zur Führerschaft wurde am offensichtlichsten,
wenn diese
Positionen in Frage gestellt
wurden. Zahllose
Male im Vorfeld des Streiks wurden
Kritiken der
Ideologie der Gewaltlosigkeit, die von der
(in)formellen
Führerschaft vorangetrieben wurde, von
jener ignoriert, da
die Agenda der Gewaltlosigkeit von
„den Gefangenen
käme“ und es „schlechte Sicherheit“
sei, zu fragen,
wieso ein öffentliches Statement die Erwähnung
von Gewaltlosigkeit
beinhalten muss.
Was die Aktivisten
einheitlich ignorierten, waren die Stimmen
von kämpferischen
Gefangenen (wie Michael Kimble),
die explizit die
Sprache von Respektabilität und Reform
kritisierten. In
ihrer verzerrten Verehrung der Gefangenenanführer,
die sie selbst
ernannt hatten, verdrehten
und marginalisierten
die Aktivisten die rebellischen
Akte der Gefangenen,
die nicht mit ihnen übereinstimmten.
In der Realität
wurde der Streik von hunderten
wenn nicht tausenden
Individuen vorangetrieben, von
denen die meisten
keinerlei Verbindungen zu einer Organisationen
hatten und die
einfach von ihrem eigenen
Verlangen
zurückzuschlagen, gegen das was sie unterdrückt
und ausbeutet,
ausgingen. Wenn formelle Organisationen
außerhalb der
Mauern das nicht sehen können,
liegt das an ihrem
Fetisch für formelle Organisationen,
der nichts außer
Führer und Gefolgschaft kennt.
Unterstützer, keine
Komplizen
Viele dieser
Aktivisten haben für sich selbst einen neuen
Kampfschauplatz
gefunden: als Vollzeitgefangenenunterstützer.
Während dem Streik
wurde von vielen Organisatoren
betont, dass es die
Rolle der „Unterstützer
von außen“ sei,
daran zu arbeiten, die Repression für
die drinnen zu
verringern. Ohne die Wichtigkeit von
Call-Ins[2], dem
Verbreiten von Informationen, etc.
herunterspielen zu
wollen, muss dies als das kritisiert
werden, was es ist:
eine Verweigerung tatsächlicher Solidarität.
Alfredo Cospito schreibt:
Alfredo Cospito schreibt:
„Es gibt
zwei Typen der Solidarität. Eine passive, die all zu oft dazu dient das
schlechte Gewissen,
für die eigenen Inaktivität wegzuwaschen
und die nicht die
Lücke zwischen Wörtern
und Taten
überbrückt.
Und dann, die aktive,
konkrete, reale
Solidarität, die manche als revolutionäre
bezeichnen, die in
der Stille und Anonymität
erschaffen wird, wo
einzig destruktive Aktionen
sprechen, sogar
durch die Worte, die danach folgen.“
Der Unterschied
zwischen diesen zwei Formen der
Solidarität ist von
entscheidender Wichtigkeit für
den anarchistischen
Kampf. Zu sagen, dass es unsere
Hauptpriorität ist,
jene zu unterstützen, die Aktionen im
Gefängnis machen,
nimmt uns jede Verantwortung ab,
selbst zu kämpfen.
Die Absurdität jene zu motivieren zu
revoltieren, die
sich in sehr restriktiven Umgebungen
wiederfinden (und
zweifellos mit harschen Konsequenzen
für minimale
Verstöße konfrontiert sein werden),
während wir selbst
nichts tun, um kämpferisch zu agieren,
ist verblüffend. Es
ist Feigheit, außerhalb eines von
Gefängnisarbeit
profitierenden Geschäfts zu stehen und
nett Schilder
hochzuhalten, während Gefährten für Angriffe
in der Isolation
sitzen.
Als Anarchisten
suchen wir nicht nach „unterdrückten
Leuten“, deren
„Unterstützer“ wir werden können. Wir
suchen jene, mit
denen wir Affinität im Kampf teilen.
Diese Beziehung ist
keine von Anführer und Gefolge,
angeführt von den
„am meisten Unterdrückten“, die
ihre empathischen
Unterstützer anführen, sondern eine
Beziehung von
aktiver Komplizenschaft. Diese Komplizenschaft
beinhaltet einen
gemeinsamen Einsatz von
Sorge und Risiko. Es
ist nicht mein Ziel lediglich die
Revolte von jemand
anderem zu unterstützen, sondern
für mich selbst
nach den Mitteln zu greifen, um diese
Gefängniswelt
anzugreifen, so wie sie existiert, in meinem
alltäglichen Leben.
Jene, die nach Beziehungen von
Beherrschung und
Unterwerfung suchen, werden nur
jene vorfinden. Für
den Rest von uns wartet der unbekannte
Pfad der Affinität.
Der neue Pazifismus
Jene, die Leute im
Gefängnis dazu ermutigen zu revoltieren,
wissen, dass
Gefangene sich mit brutaler
Repression
konfrontiert sehen, wenn sie aus der Reihe
tanzen. Anstatt dies
als einen Antrieb zu verstehen,
um ihre relative
Freiheit zu nutzen, um das Gefängnis
von außen
anzugreifen, verwenden Aktivisten dies als
eine Erpressung
gegen jeden, der die Gewaltlosigkeit
kritisiert. Die
Logik geht wie folgt, weil Gefangene mit
Repression
konfrontiert sein werden, müssen sie das
Prinzip der
Gewaltlosigkeit befolgen. Im Vorfeld des
Gefängnisstreiks
wurde die potentielle Repression gegen
die einsperrten
Gefährten wiederholt dazu genutzt
Kritiken, sowohl von
drinnen wie draußen, an öffentlichen
Statements, die
Gewaltlosigkeit unterstützten, zu
verhindern.
Die pazifistische
Ideologie erreichte neue Ausmaße der
Frevelhaftigkeit,
als Anführer der Free Alabama Movement
die Bürokraten des
Holman-Gefängnisses dafür
kritisierten, dass
sie „gewalttätige Angreifer (offender)“[
3] und
„soziophatische homosexuelle Täter“[4]
aus der Einzelhaft
entließen und forderten, dass das
Gefängnis mehr
Wächter einstellt.
Um es klarzustellen:
Viele, die sich in
der Einzelhaft fanden, waren dort, weil
sie an Krawallen und
Rebellionen während der vorangegangenen
Monate teilgenommen
hatten. Unverhohlene
Homophobie, Bedenken
um die Sicherheit der Wachteln
entgegen der
Unterstützung der Rebellen, die mit
Repression
konfrontiert sind und Denunziation jener,
die gewaltsame
Aktionen ausgeführt haben, sind widerlich
und eine natürliche
Folge der unkritischen Unterstützung
von
„Gefängnisanführern“ – besonders jener
Führerschaft, die
ideologischen Pazifismus verbreitet.
Was auch immer die
sogenannten Anführer auf dieser
oder jener Seite der
Mauer sagen, Gefangene scheren
sich nicht um
Gewaltlosigkeit. Die Feuer, die Messerstechereien
und der Widerstand
drinnen und die Angriffe
auf das Eigentum
draußen, zeigen, trotz des dogmatischen
Pazifismus der
Anführer, dass die Revolte gegen
das Gefängnis
zerstörerisch und unkontrollierbar bleibt.
Abschaffen oder
Zerstören?
Es ist nicht genug
„Gefängnisse abzuschaffen“. Der
Schachzug die
Gefängnisrebellion in Richtung von Zielen
zu lenken, wie einer
Untersuchung der Gefängnisbedingungen
durch das Department
of Justice, die Liberale
ansprechen und
legislative Reformen, werden nichts
ändern, außer,
dass sie ein neues heimtückischeres Regime
der Macht schaffen.
Es ist nur durch die selbstorganisierte
Attacke – ohne der
Zwischenschaltung einer
Führerschaft und
ohne das Zerschlagen unserer Leidenschaft
frei zu sein, durch
das Gewicht der vor Schuld
triefenden
Unterstützerpolitik – dass wir die Gefängnisse
zerstören werden.
Dem von der Führerschaft und
den Aktivisten
vorangetriebenen (und logischerweise,
durch die
kapitalistischen Medien aufgegriffenem) Narrativ
zum Trotz, verlief
der Gefängnisstreik außerhalb
der Kontrolle
jedweder Organisation oder Anführer,
jenseits des
Pazifismus und der Reform.
Als Anarchisten im
Gefängnis und Anarchisten außerhalb
des Gefängnisses,
werden wir damit fortfahren den
Feind wo und wann
immer es möglich ist anzugreifen.
Jenseits der
Abschaffung: Zerstörung jetzt!
[1] A.d.Ü.: Das in der englischen Version gebrauchte
„allie“ und „supporter“, wird hier synonym mit Unterstützer
übersetzt.
[2] A.d.Ü.: „Call-Ins“ sind eine aktivistische Praxis, bei
der bei Institutionen und Verantwortlichen angerufen
wird, um Druck aufzubauen.
[3] https://freealabamamovement.wordpress.
com/2016/09/17/press-release-2/
[4] https://freealabamamovement.wordpress.
com/2016/09/18/a-threat-to-violence/
***
siehe auch: Von negativen und anderen Reformen http://radiochiflada.blogspot.com/2017/02/gefangenengewerkschaft-auch.html
aus: AVALANCE , März 2017
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen