Mittwoch, 20. Januar 2016

"In einer freien Gesellschaft kann keine Gefangenschaft erfolgreich sein"..... Die neun Perspektiven der Abolitionist*nnen

Perspektive 1
Knast ist moralisch verwerflich, unhaltbar und muss abgeschafft werden. In einer aufgeklärten, freien Gesellschaft kann keine Gefangenschaft erfolgreich sein oder sie wird überall sein. Ein langfristiges Ziel ist die Abschaffung aller Gefängnisse; ein Ideal. Die Beseitigung eines repressiven Systems ist keine leichte Aufgabe. Aber sie ist realisierbar, wie die Abschaffung der Sklaverei oder eine Befreiung, so lange, wie wir bereit ist, den Kampf aufzunehmen.
Perspektive 2
Die Botschaft über die Abschaffung erfordert eine „ehrliche” Sprache und neue Definitionen. Sprache ist mit Macht verbunden. Wir lassen unseren Wortschatz nicht von den Machthabern kontrollieren. Die Benutzung einer „System-Sprache”, in der Gefangene „Insassen” und die Strafe „Behandlung” genannt werden, verweigert den Gefangenen die Realität ihrer Erfahrung und macht uns zu Gefangenen des alten Systems. Unsere eigene Sprache und Definitionen ermächtigen uns ein Gefängnis realistisch zu definieren.
Perspektive 3
Wir glauben, dass Wiederherstellung und Transformation und nicht Strafe eine angemessene Antwort auf Straftaten sind. Das gegenwärtige System konzentriert sich darauf, zu bestrafen und hat wenig Interesse an den Bedürfnissen der Täter*innen oder dem Verlust des Opfers. Die Antwort sucht danach, sowohl für die Täter*innen als auch für das entsprechende Opfer die vollständige Menschlichkeit wiederherzustellen, zu einem Leben der Integrität und Würde in der Gemeinschaft. Wir befürworten den geringsten Zwang und die geringste Intervention in das Leben einer Person und die maximale Pflege und Solidarität für alle Menschen der Gesellschaft.





Perspektive 4
Wir arbeiten mit Gefangenen, sind selbst aber nie „Mitarbeiter*innen“ des etablierten Strafvollzugssystems. Wir lernen, sich auf dem schmalen Grat zwischen der Beziehung zu den Gefangenen innerhalb des Systems und der Unabhängigkeit und dem „Abstand“ zum momentanen System zu bewegen. Wir widerstehen dem verlockenden, psychisch bedingten Druck, von den Menschen im Strafvollzugssystem „akzeptiert“ zu werden. Wir sind bereit, den Druck auf uns zu nehmen, der sich aus Änderungen ergibt, die für die Gefangenen von Vorteil sind und von diesen gewünscht werden. In unserem Verhältnis zu jenen an den Schalthebeln der Macht stehen wir denen unversöhnlich gegenüber, die ihre Rolle zum Aufrechterhalten eines repressiven Systems sehen.
Perspektive 5
Wir sind eher „Verbündete“ der Gefangenen als „Helfer“ im traditionellen Sinne. Wir wollen die Definition dessen, was den Eingeschlossenen unter Beachtung von sowohl der Perspektive des Gefangenen als auch den Anforderungen an die Abschaffung wirklich hilft, neu prägen.
Perspektive 6
Wir  sind uns darüber im Klaren, dass eine Förderung auch ehemaliger Gefangener für eine Änderung und Abschaffung des Strafvollzugssystems unerlässlich ist. Die meisten Menschen verfügen über das Potential einer Selbstbestimmung in Bezug auf das Überleben, die Ressourcen und Pläne. Wir fördern die Selbstbestimmung von Gefangenen und von Programmen, die in die Hände jener, die unmittelbar von ihren Erfahrungen im Gefängnis betroffen sind, dort besser aufgehoben sind.



Perspektive 7
Wir sehen, dass jede(r) einzelne von uns die Macht besitzt, für die Herausforderung und Abschaffung des Strafvollzugs einzutreten. Wir glauben, daß wir die Quelle dieser Kraft sein können. In dem bestimmten Strategien und Verfahren die Unterstützung zugesichert „oder vorenthalten“ wird, können die Strukturen verändert werden.
Perspektive 8
Wir glauben, dass Kriminalität, deren Bestrafung und Gefängnis hauptsächlich eine Konsequenz der Gesellschaftsstruktur sind. Wir selbst widmen uns einem Ansatz der Veränderung der Gemeinschaft, wie sich sich in den Erfahrungen derTransformativen Gerechtigkeit“ widerspiegelt. Wir werden die Befugnisse einer Strafjustiz mehr und mehr in ihre Schranken weisen. Wir treten dafür ein, dass die öffentlichen Probleme öffentlich zu lösen sind.
Perspektive 9
Wir glauben, dass die persönliche Begleichung einer auf sich geladenen Schuld nur innerhalb einer solidarischen Gemeinde stattfinden kann. Wir sehen den Bedarf einer „Berichtigung“ eher in der vorherrschenden Kultur als in dem Gefangenen selbst. Solche solidarischen Gemeinden sind jedoch noch mehr  aufzubauen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen