Montag, 25. Januar 2016

"Die Entstehung der Knäste ist 100 Prozent weiblich." Wenn sie wütend wird, liegt sie in Ketten.



Im folgenden Text geht es um die Entstehung der ersten Knäste, nämlich der Frauenknäste. Innerhalb einer Knastanalyse, die sich oft in irgendeiner Hinsicht auf Michel Foucault (und sein Buch 'Überwachen und Strafen') stützt, wird meist der Fakt übergangen, dass die Disziplinierung durch Knast historisch durch die Unterdrückung der Frau entstand und daher eng mit dieser verbunden ist. Der Beginn einer Idee von Disziplinierungen und vom exemplarischen Bestrafen einiger, um das Gehorsam der anderen zu erzwingen, wurde lange vor den ersten Männerknästen an Frauen erprobt. Diesem Teil der Knastgeschichte wird selten Beachtung geschenkt und Knast entsteht so scheinbar erst dann, wenn Männerknäste in der Geschichte auftauchen. Folgender Text eröffnet einen anderen Blick auf die Thematik.

(Vorwort und alles andere aus der Zeitschrift: ramasuri (=Durcheinander)







Die Gründung der ersten  Haftanstalt für Frauen fand im siebzehnten Jahrhundert in Spanien statt, mit der so genannten Anstalt „Die Frauengaleere“. Paradoxerweise entsprang diese geniale Idee niemand geringerem als dem verkümmerten Kopf einer Frau: dem der heiligen Mutter Magdalena de San Jerónimo.

Diese Anstalten  waren zunächst für  Prostituierte, bettelnde Frauen und Dienstangestellte
die ihre Arbeit nicht nachkamen, gedacht. Schon damals suchte die Mutter Magdalena diese Bestrafung in den Vorwurf umzukehren, die Frauen würden in die Galeere kommen, um Vergütungen zu erhalten. Das oberste Prinzip schien es zu sein, sich gegen Frauen
zu richten, die arm waren, von der Religion abgewandt, also 'sündig' oder die nicht ohne Widerstand die obligatorische Unterwerfung unter die aristokratischen Dienstherren akzeptierten. Aus diesem Grund und da die Ordensschwester sehr klar hatte, wie die öffentlichen Haftanstalten sein sollten, erschien im Jahr 1608 eine Verordnung zur Festlegung der Bedingungen unter denen die Insassinnen leben sollten:
Zunächst wird ein Haus benötigt, welches sich in einer sehr förderlichen Gegend befindet, nicht sehr einsam und auch nicht weit weg von den Menschen, auf Grund der großen Unannehmlichkeiten die daraus erwachsen könnten. Dieses Haus sollte sicher und fest verschlossen sein, so dass es keine Fenster oder verglasten Balkone im ganzen Haus gäbe, weder sollte es von einem anderen Haus einsehbar sein."





In dem Gebäude, treu der diktierten Normen der Ordensschwester, gab es einen Schlafsaal, ein Arbeitszimmer, eine Speisekammer, ein Geheimgefängnis, wo die 'unverbesserlichen Rebellinnen' bestraft wurden, eine Kapelle, einen Brunnen und ein Becken zum Waschen.
An diesen Orten sollte es außerdem Ketten, Knebel, Handschellen, Fußfesseln, etc. geben. Der edlen Ordensschwester nach sollten diese Instrumente nur dazu dienen, die Insassinnen zu erschrecken, damit sie beim bloßen Anblick dieser Geräte ihre frevelnde Art überwinden und ganz die Vorschriften erfüllen würden.

Wie zu erwarten, unterlag die Verwaltung des Ortes der Leitung eines Mannes (des
Anstaltsleiters). Seine Ehefrau wurde die Rektorin. die die Schließerinnen und Lehrerinnen zu beauftragen hatte, die Vorschriften zu erfüllen und mit den entsprechenden Repressalien gegen die Rebellinnen vorzugehen. Als dieses Folterzentrum in Betrieb genommen wurde, veröffentlichte das örtliche Gerichtswesen ein Schreiben mit mehr oder weniger folgendem Inhalt:

Auf dass keine Frau es wagen wird zu faulenzen, untätig oder ohne Ehemann zu sein. Denn diejenige, die es wagen wird, wird in die Galeere gesteckt und bestraft wie sie es verdient.
Um als abschreckendes Beispiel bestraft zu werden, damit die anderen Frauen sehen können, wie es ihnen ergehen wird und sich somit einen Ehemann suchen, dem sie dienen können. Es wird beschlossen, dass jedes ortsfremde Mädchen, welches diesen Ort betritt, direkt in die Galeere geschickt wird, um sich dort der Frau des Anstaltsleiters vorzustellen und sie zu fragen, wie sie ein Haus zum Dienen finden kann und ohne eine Registrierung soll sie drei Tage Strafe in der Galeere absitzen auf Grund ihrer Liderlichkeit.“

Hier wird deutlich, dass die verfolgten, eingesperrten und getöteten Frauen wie so oft im Laufe der Geschichte, die emanzipierten waren, die, die ihr Dasein ohne Ehemann mit ihrem Leben bezahlten mussten.
Wenn die Frauen diese Orte betraten, mussten sie sich komplett ausziehen und sie wurden gezwungen Uniformen zu tragen. Außerdem wurden sie rasiert. All dies mit dem Ziel der Homogenisierung und um jeden Überrest von selbst gewählter Identität zu vernichten. Sie durften keinen Kontakt zur Außenwelt haben und sollten diszipliniert werden. In diesem letzten Punkt ging die Ordensschwester kategorisch vor:

„Der Anstaltsleiter schrieb, dass die anderen amtstragenden Personen die Regierung der Galeere seien und sich mit der Disziplinierung dieser Frauen beschäftigen. Um in der Lage zu sein, mit ihnen umzugehen gibt es folgende Anweisungen: wenn sie fluchen oder etwas beteuern (weil sie als nicht-Christen keine Wahrheit sagen können), tut ihnen einen Knebel in den Mund. Wenn eine wütend wird, legt sie in Ketten. Wenn sie gehen möchte, legt sie in Fußfesseln und steckt sie in ein Loch und so wird sie sich beruhigen. Man muss sie vor den anderen disziplinieren. Exemplarisch bestrafen und so den anderen Angst machen. Außerdem so hart bestrafen, dass sie Angst haben, diese Strafe wieder erleiden zu müssen. Die Unruhestifterinnen sollten außerdem nachts angebunden werden oder am Pranger schlafen…damit sie nicht auf Ideen der Flucht kommen oder auf Ideen wie sie die Offiziellen schlagen könnten oder sich (gegenseitig) die Haare raufen und etwas anstellen.“

Wörter, durch die wir die echte Frauenfeindlichkeit und Böswilligkeit in die die Christlichkeit gehüllt ist, verstehen. Außerdem waren die Insassinnen verpflichtet Zwangsarbeit zu leisten, da die Knäste Betriebe waren und sind und dies den Knast finanzierte und so zur Erhaltung eben dieses Ortes beitrug, welcher sie gefangen hielt.








Die Ordensschwester sprach ebenfalls von der Rückfälligkeit in die Sünde und wie die Frauen bestraft werden sollten, die ein zweites oder drittes Mal in ihre Hände fielen:
Wenn eine der Frauen die Galeere auf Weisung des Gerichts verlässt, wird geäußert, dass sie darauf aufmerksam gemacht wird, dass sie darauf achtet, nicht noch einmal in die selbe Galeere zu kommen, denn wenn dies der Fall sein sollte, wird sich ihre Strafe verdoppeln und sie soll gebrandmarkt werden auf der rechten Seite ihres Rücken mit den Waffen der Stadt oder dem Dorf, in dem die Galeere steht. Damit sie so bekannt sei und klar wird, wenn sie ein zweites Mal in dieselbe Stadt kommt. Und wenn eine so schäbig sein sollte, ein drittes Mal aufzutauchen, soll die Strafe verdreifacht werden, mit der Warnung, dass sie, wenn sie so unverbesserlich ist, ein viertes Mal aufzutauchen, an der Tür derselben Galeere gehängt werden wird."

Die Ordensschwester hatte hohe Ziele, so wollte sie das Nichtstun verbannen, den schlechten Beispielen ein Ende setzen, autoritätsgläubige Dienerinnen erziehen, die Delinquenz beseitigen und ein abschreckendes Beispiel für die übrigen Frauen schaffen.




All diese servilen Zwecke vervollständigen und dienen absolut der Macht. Das ist nicht verwunderlich, wenn wir die historische Unterdrückung in Betracht ziehen, die das Christentum als Handlanger für die Mächtigen erschaffen hat.

Im selben Jahr, in dem der erste Frauenknast eröffnet wurde, erreichte die Mutter Magdalena mit ihrer charakteristischen Güte später in einem Gespräch mit Felipe III die sofortige Errichtung zwei neuer Frauenknäste in Madrid und Valladolid. An diese schlossen sich kurze Zeit später noch weitere in Granada, Zaragoza, Salamanca, Valencia und allen anderen wichtigen Städten [in Spanien] an. Natürlich summierten sich mit der Zeit und der wachsenden Zahl dieser Zentren auch Gefangene mit anderen Verbrechen wie Mord, schweren Ausschreitungen und Diebstahl. Wie z.B. im Fall von Maria Ortiz, die 17 Wohnungseinbrüche in Madrid beging, und die der König zu lebenslanger Haft verurteilte. 

An diesen Orten existierten auch Restriktionen, die die Unterwerfung der Frau aus einer intellektuellen Perspektive erlaubten, womit ein anderer wichtiger Punkt in der
patriarchalen Konstitution der Frau einherging. So wurden Frauen dazu angehalten, Angst vor Gott zu haben und die Arbeit zu lieben. Dennoch trafen sich die Insassinnen verbotener Weise um über Politik, gemachte Erfahrungen oder eigene Geschäfte zu sprechen und sie klärten sich gegenseitig auf.

Trotz all der erlebten Folter in diesen Häusern, kehrten die meisten der Frauen, die von dort entlassen wurden, zurück in ihr altes Leben. Sie ließen sich weder durch die Justiz noch durch das Christenrum einschüchtern. Einige emigrierten in Städte, in denen es diese Anstalten noch nicht gab, und andere machten weiter, illegal und klandestin, ihre Leben lebend,  rebellisch und ohne Ehemann









Mittwoch, 20. Januar 2016

"In einer freien Gesellschaft kann keine Gefangenschaft erfolgreich sein"..... Die neun Perspektiven der Abolitionist*nnen

Perspektive 1
Knast ist moralisch verwerflich, unhaltbar und muss abgeschafft werden. In einer aufgeklärten, freien Gesellschaft kann keine Gefangenschaft erfolgreich sein oder sie wird überall sein. Ein langfristiges Ziel ist die Abschaffung aller Gefängnisse; ein Ideal. Die Beseitigung eines repressiven Systems ist keine leichte Aufgabe. Aber sie ist realisierbar, wie die Abschaffung der Sklaverei oder eine Befreiung, so lange, wie wir bereit ist, den Kampf aufzunehmen.
Perspektive 2
Die Botschaft über die Abschaffung erfordert eine „ehrliche” Sprache und neue Definitionen. Sprache ist mit Macht verbunden. Wir lassen unseren Wortschatz nicht von den Machthabern kontrollieren. Die Benutzung einer „System-Sprache”, in der Gefangene „Insassen” und die Strafe „Behandlung” genannt werden, verweigert den Gefangenen die Realität ihrer Erfahrung und macht uns zu Gefangenen des alten Systems. Unsere eigene Sprache und Definitionen ermächtigen uns ein Gefängnis realistisch zu definieren.
Perspektive 3
Wir glauben, dass Wiederherstellung und Transformation und nicht Strafe eine angemessene Antwort auf Straftaten sind. Das gegenwärtige System konzentriert sich darauf, zu bestrafen und hat wenig Interesse an den Bedürfnissen der Täter*innen oder dem Verlust des Opfers. Die Antwort sucht danach, sowohl für die Täter*innen als auch für das entsprechende Opfer die vollständige Menschlichkeit wiederherzustellen, zu einem Leben der Integrität und Würde in der Gemeinschaft. Wir befürworten den geringsten Zwang und die geringste Intervention in das Leben einer Person und die maximale Pflege und Solidarität für alle Menschen der Gesellschaft.





Perspektive 4
Wir arbeiten mit Gefangenen, sind selbst aber nie „Mitarbeiter*innen“ des etablierten Strafvollzugssystems. Wir lernen, sich auf dem schmalen Grat zwischen der Beziehung zu den Gefangenen innerhalb des Systems und der Unabhängigkeit und dem „Abstand“ zum momentanen System zu bewegen. Wir widerstehen dem verlockenden, psychisch bedingten Druck, von den Menschen im Strafvollzugssystem „akzeptiert“ zu werden. Wir sind bereit, den Druck auf uns zu nehmen, der sich aus Änderungen ergibt, die für die Gefangenen von Vorteil sind und von diesen gewünscht werden. In unserem Verhältnis zu jenen an den Schalthebeln der Macht stehen wir denen unversöhnlich gegenüber, die ihre Rolle zum Aufrechterhalten eines repressiven Systems sehen.
Perspektive 5
Wir sind eher „Verbündete“ der Gefangenen als „Helfer“ im traditionellen Sinne. Wir wollen die Definition dessen, was den Eingeschlossenen unter Beachtung von sowohl der Perspektive des Gefangenen als auch den Anforderungen an die Abschaffung wirklich hilft, neu prägen.
Perspektive 6
Wir  sind uns darüber im Klaren, dass eine Förderung auch ehemaliger Gefangener für eine Änderung und Abschaffung des Strafvollzugssystems unerlässlich ist. Die meisten Menschen verfügen über das Potential einer Selbstbestimmung in Bezug auf das Überleben, die Ressourcen und Pläne. Wir fördern die Selbstbestimmung von Gefangenen und von Programmen, die in die Hände jener, die unmittelbar von ihren Erfahrungen im Gefängnis betroffen sind, dort besser aufgehoben sind.



Perspektive 7
Wir sehen, dass jede(r) einzelne von uns die Macht besitzt, für die Herausforderung und Abschaffung des Strafvollzugs einzutreten. Wir glauben, daß wir die Quelle dieser Kraft sein können. In dem bestimmten Strategien und Verfahren die Unterstützung zugesichert „oder vorenthalten“ wird, können die Strukturen verändert werden.
Perspektive 8
Wir glauben, dass Kriminalität, deren Bestrafung und Gefängnis hauptsächlich eine Konsequenz der Gesellschaftsstruktur sind. Wir selbst widmen uns einem Ansatz der Veränderung der Gemeinschaft, wie sich sich in den Erfahrungen derTransformativen Gerechtigkeit“ widerspiegelt. Wir werden die Befugnisse einer Strafjustiz mehr und mehr in ihre Schranken weisen. Wir treten dafür ein, dass die öffentlichen Probleme öffentlich zu lösen sind.
Perspektive 9
Wir glauben, dass die persönliche Begleichung einer auf sich geladenen Schuld nur innerhalb einer solidarischen Gemeinde stattfinden kann. Wir sehen den Bedarf einer „Berichtigung“ eher in der vorherrschenden Kultur als in dem Gefangenen selbst. Solche solidarischen Gemeinden sind jedoch noch mehr  aufzubauen.


Dienstag, 5. Januar 2016

Magna Charta für alle Gefangenen -- Texte der Knastbewegung, Teil 4

Entwurf einer Magna Charta für alle Internierten - ( ihre Geschichte und ihre Zukunft )







Befreien wir auch die, die in der Klapse faulen/die man in der Psychiatrie eingemauert hat/Befreien wir die Soldaten, die als Fahnenflüchtlinge verurteilt sind.



Befreien wir die Leute im Wohnsilo/deren Leben sich nur im Fernsehen abspielt/ die sich eingesperrt haben in der Zweisamkeit, in der Familie.





- SIE SIND ALLE GEFANGENE !

Befreien wir auch die, die gezwungen werden in die Schule zu gehen/Befreien wir die, die zur Arbeit gehen müssen/vertreiben wir alle Lohnarbeiter*innen von unserer Erde.

FREIHEIT FÜR ALLE  GEFANGENEN !

Befreien wir die Neugeborenen, die verpackt sind/hinter den Scheiben steriler Kliniksäle
Befreien wir die, die im Ghetto leben müssen/in das man sie wegen ihrer Sexualität getrieben hat

- SIE SIND ALLE  GEFANGENE !

Befreien wir unseren Körper/befreien wir unsere Phantasie
Befreien wir die Kreativität von den Fesseln der Vernunft.

DAS SIND ALLES  GEFANGENE !

* *

Hintergrund:



Mitte der 70erJahre wurde ein Grossteil der RAF Leute verhaftet. In ihren Kämpfen und Aktivitäten auch im Knast schufen sie ein neues Problembewusstsein für das Thema „Knast“ In dieser Zeit und oft durch sie gab es eine Vielzahl von Widerstandsformen, Hungerstreiks, Dachbesteigungen, viele Arten zur Durchsetzung konkreter Forderungen.
Aber es brachte auch in die verschiedenen Knastgruppen, die Roten Hilfen und Schwarzen Hilfe eine Menge Diskussion und Differenzen, einmal das Thema der „politischen Gefangenen“ und zum anderen deren Kritik an der Funktionalisierung durch die RAF-Gefangenen.

Bemerkenswert war, dass es trotz aller weiteren Differenzen, Spaltungen bis hin zu persönlichen Angriffen und Diffamierungen einige Texte auch und gerade von Teilen der RAF mit wichtigen Impulsen für eine gemeinsame revolutionäre Gefangenenbewegung existierten – so vor allem ein Text von Ulrike Meinhof Aktionsprogramm für den Kampf um die politischen Rechte der gefangenen Arbeiter“,den ihr hier lesen:
http://de.scribd.com/doc/141958536/PROVISORISCHES-KAMPFPROGRAMM-FUR-DEN-KAMPF-UM

Dieser Text verschwand aber schnell aus der Debatte und tauchte in späteren RAF- Schriften nicht mehr auf, es wurde nun mehr und mehr auf eine Trennung zu den anderen Gefangenen hingearbeitet, und sie verlangten für sich den „Kriegsgefangenenstatus“im Sinn der Genfer Konvention.

Ein anderer Text, der sich an den ursprünglichen Forderungen von Meinhofs Text anschloss, war einer vom„Gefangenenrat Frankfurt“,der im November 1973 im „Nachrichtendienst (ND)“ veröffentlicht wurde.
Dabei wurde die Abschaffung aller Internierungen gefordert, wie im Meinhof Text eine Gefangenenselbstverwaltung, Abschaffung jeglicher Misshandlungen gegenüber den Internierten, Abschaffung der Briefzensur usw. usw.  – das Meiste und noch etwas mehr aus diesen beiden Texten  findet sich in dem 1980 veröffentlichten „Entwurf einer Magna Charta für alle Internierten in Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten, Fürsorge-und Erziehungsheimen“ wieder.

Dieser nachfolgende Entwurf war notwendig geworden, weil zum einen durch den Konflikt innerhalb der Gruppen in den Knästen ( hier vor allem zwischen RAF und „Gefangenenrat“) und einer Entpolitisierung der Menschen draußen das Thema „Knast“ und dem Kampf dagegen immer mehr weggedrängt wurde –draußen war es vor allem die Alternativen mit ihren Projekten und Zeitungen, die sich mehr und mehr dem Knast entfremdeten, ja Texte und Informationen von den Knastgruppen darüber sogar ablehnten – federführend der damalige „Pflasterstrand“um Cohn Bendit undJ.Fischer.

Hier nun also der Entwurf":



"Dieser Entwurf einer Magna Charta für alle Internierten in Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten, Fürsorge-und Erziehungsheimen, ist das Ergebnis zahlreicher Briefe und Gespräche mit Eingeschlossenen sowie von Diskussionen zwischen Knastgruppen in berlin, Hamburg und München. Wir hoffen damit in allen Gefängnissen, Anstalten und Heimen einen Diskussions-und Kristallisationspunkt zu schaffen, der Ausgangspunkt für eine Gefangenenbewegung sein soll. Wir wollen darüber hinaus eine breite Öffentlichkeit für die Problematik der Eingeschlossenen herstellen und neue Perspektiven der Knastarbeit entwickeln. Auf der Grundlage dieses Papiers sollen neue Knastgruppen und Initiativen entstehen, die sich für die Interessen und Rechte der Eingeschlossenen einsetzen. Dieses Papier ist ein vorläufiger Entwurf, eine endgültige Fassung kann nur in der Diskussion mit den Eingeschlossenen und den Gruppen draussen erarbeitet werden.

Kollektiv Rote Hilfe München

Entwurf einer Magna Charta für alle Internierten




Präambel

Mehr als 500.000 Menschen leben in der BRD ohne Rechte, für sie gilt auch nicht das Grundgesetz. Sie werden zur Arbeit gezwungen, ohne dafür eine entsprechende Bezahlung zu erhalten. Sie haben keinen Anspruch auf Informationsfreiheit, sie dürfen nicht lesen und schreiben, was sie wollen, für sie ist Zensur eine alltägliche Einrichtung. Sie leben in menschenunwürdigen Unterkünften, sie sind nicht ausreichend versichert und haben keinen Anspruch auf Urlaub. Und all das geschieht ohne rechtliche Grundlage. Selbst die minimalsten Rechte, die ihnen eingeräumt worden sind, werden aufgrund der Willkür von Anstaltsleitern und Richtern oftmals beschnitten. Sie kennen nur Verbote und Pflichten, keine Rechte. Gemeint sind die 60.000 Internierten in den 150 Gefängnissen, die 250.000 Kinder und Jugendlichen in den 3.500 Kinderheimen, Erziehungsheimen, Jugendschutzstellen und Heimen für Behinderte, die 200.000 Internierten in den 130 psychiatrischen Anstalten in der BRD.

Gegen diese Bevormundung und für Selbstbestimmung ist die Magna Charta entworfen worden, von ehemaligen und jetzigen Inhaftierten, von Knastgruppen aus Berlin, Hamburg und München. Sie ist erarbeitet worden, weil der Knast, die Heime, die psychiatrischen Anstalten immer unmenschlicher werden. Die Reformpolitik der 60er Jahre ist längst gestorben, neue Gesetze und neue Bauten beschnitten die Rechte immer mehr, machten die Isolation immer perfekter. Vom pennsylvanischen Einzellensystem der Puritaner führt eine zielstrebige Entwicklung über die wissenschaftliche Erforschung der Isolation und des Isolationstrakts von Ossendorf und Stammheim bis zu den technisch perfekten Hochsicherheitstrakts unserer Tage. Der Trend zur Isolation in der Isolation wird immer stärker. Geplant bzw. im Bau sind neben den Hochsicherheitstrakts Knäste für inhaftierte Drogenkonsumenten und Knäste für „klinisch nicht mehr therapierbare Kriminelle und Geisteskranke“ (wörtliches Zitat des Bayerischen Justizministeriums), die den irreführenden Namen Fachkrankenhäuser für forensische Psychiatrie führen sollen (eine ähnliche Verschleierung war die Umbenennung der Gefängnisse in Justizvollzugsanstalten). Für Jugendliche plant Bonn Gesetze zur Unterbringung in geschlossenen Heimen und für Arreststrafen in Erziehungsheimen. Bereits heute werden in der BRD rund 1.000 Jugendliche aufgrund von Rechtsverordnungen der Länder ständig in Heimen von der Gesellschaft ferngehalten (Heimjargon: Isole).












Isolation ist aber längst nicht mehr auf den Knast, die Heime und die psychiatrischen Anstalten beschränkt. Isolation ist zum Prinzip des Systems geworden. Das System kann nur funktionieren, wenn es die Menschen auseinander dividiert und isoliert, sei es in der Schule, in der Universität, in der Fabrik, in den Betonsilos unserer Städte, in den Trabantenstädten, in den Altersheimen usw. Die modernen Knastbauten in Ossendorf und Zelle, in Stammheim und Stadelheim sind inzwischen zum Baustil der technologischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geworden. Sie dienen als Vorbild für Knastneubauten bzw. -erweiterungen in der BRD und im Ausland (Moabit, Wuppertal, Bielefeld, Straubing, Herrera de la Mancha in Spanien, Asinara in Italien und Regensdorf in der Schweiz, um einige Beispiele zu nennen).



Knastarchitektur beherrscht die Landschaft. Man kann kaum noch unterscheiden, ob es sich um einen Knast, eine Fabrik, eine Schule, eine Universität, ein Atomkraftwerk oder ein Altersheim handelt. Gerade da sehen wir aber auch eine Möglichkeit, die Gemeinsamkeit der Isolierten herzustellen, ein Verständnis der Isolierten draußen für die Isolierten drinnen zu erwecken. Der Versuch, die Isolation zu durchbrechen, indem man sich gemeinsam und überall gegen die Isolation wehrt. Das „Reißt die Mauern ein“ gilt nicht nur für die Knäste, Heime und psychiatrischen Anstalten, es gilt für jede Art Isolation.





Isolation ist in den Knästen auch zum besonderen Problem der politisch motivierten Gefangenen geworden, die sich mehrmals durch Hungerstreiks dagegen gewehrt haben, allerdings ohne Erfolg, vor allem aufgrund der falschen Forderungen. Die Kritik an den Forderungen der Gefangenen aus der RAF, die sowohl von drinnen wie auch von draußen geäußert wurde, sollte endlich einmal ernsthaft diskutiert, nicht länger als Defätismus, Staatsschutzdenken, Abwiegelei oder Reformismus diskriminiert, sondern als Möglichkeit gesehen werden, auf einer anderen, breiteren Ebene weiterzukämpfen, die auch von draußen in größerem Rahmen unterstützt werden würde.














Dazu gehört auch, dass man den Avantgardeanspruch in jeder Form, sei es als „politischer Gefangener“ im Gegensatz zum „sozialen“ oder „normalen“ Gefangenen, oder sei es als „Kriegsgefangener“ aufgeben muss und sich als Gefangener unter Gefangenen sieht. Die Forderung nach Zusammenlegung in interaktionsfähigen Gruppen in der bestehenden Form ist nichts anderes als ein Ausdruck dieses Avantgardedenkens. Dass man dabei im Endergebnis noch den Vorstellungen der Justiz entgegenkommt und die Hochsicherheitstrakts des Justizsenators Meyer als einen Erfolg des Hungerstreiks der „politischen“ Gefangenen bezeichnet , mutet wie ein makaberer Witz an und bestätigt nur, dass man selber an einem erfolgreichen Ausgang des Hungerstreiks gezweifelt hat.

Wer seine politische Identität nur in der permanenten Bestätigung durch Gleichdenkende erhalten zu können glaubt, beweist eigentlich nur die Schwäche dieser Identität und zimmert damit gleichzeitig an seinem eigenen Ghetto.

Wer sich im Knast nur ständig mit Gleichgesinnten auseinandersetzt, besser gesagt, sich gegenseitig bestätigt, verliert den Bezug zur Realität und versteigt sich in abstrakte Forderungen. Für viele der Gefangenen aus der RAF war der Gedanke, nur vorübergehend im Knast zu sein und demnächst befreit zu werden, die einzige Hoffnung, um überleben, den Knast ertragen zu können. Das führte dazu, dass man den Knast als Perspektive, als eine Basis der Auseinandersetzung völlig außer Acht ließ und sich von den anderen Gefangenen isolierte. Um nach Schleyer und Mogadischu überleben zu können, sollte man den Knast als Perspektive und Basis einkalkulieren und sich auf einen gemeinsamen Kampf zusammen mit den anderen Gefangenen vorbereiten. Das heißt, dass man für eine Integration in den Normalvollzug kämpft und nicht für eine Trennung von den Anderen. Es stimmt einfach nicht, dass man in früheren Hungerstreiks für eine Integration eingetreten ist, man hat nur für eine Gleichstellung mit den anderen Gefangenen gehungert, ohne näher zu definieren, wie diese Gleichstellung aussehen sollte. Damals wurde zu Recht kritisiert, dass die sogenannten politischen Gefangenen aufgrund der politischen und. materiellen Unterstützung von draußen, aufgrund ihrer Sozialisationsgeschichte, aufgrund der Möglichkeit, sich einen Anwalt ihrer Wahl zu leisten, sowieso schon eine privilegierte Position innehaben, und die Forderung nach Gleichstellung mit den anderen Gefangenen von diesen als Hohn empfunden wurde.

Wenn heute von Gefangnen aus der RAF erklärt wird, dass sich die Forderung nach Integration, die in dieser Form nie gestellt wurde, als nicht realisierbar erwiesen habe, und man deshalb davon Abstand. genommen hätte, dann ist diese formale Erklärung nicht überzeugend, denn es gibt RAF-Gefangene, die sich dafür eingesetzt haben und die sich heute im Normalvollzug befinden. Sie ist auch deshalb nicht überzeugend, weil seitdem in mehreren Hungerstreiks für die Durchsetzung anderer Forderungen (Anwendung der Genfer Konvention und die Anerkennung als Kriegsgefangene) gehungert wurde, die sich bisher tatsächlich als unrealisierbar erwiesen haben, trotzdem wurde immer wieder dafür eingetreten.

Die Integration in den Normalvollzug ist eine realistische Möglichkeit für ein Überleben im Knast, sie würde auch eine Wiederholung der Stammheimer Todesfälle nahezu ausschließen. Sie ist die einzige Möglichkeit für ein Überleben, weil der Mensch nur in der täglichen Auseinandersetzung mit anderen Menschen Stärke gewinnen und seine Identität wahren kann.

Diese Magna Charta ist natürlich nicht allein für die Gefangenen aus der Stadtguerilla erarbeitet worden, sie ist für alle Internierten gedacht, und die politisch motivierten Gefangenen sind nur ein winziger Teil der Internierten. Wenn wir uns länger mit ihnen auseinandergesetzt haben, so deshalb, weil durch sie der kollektive Widerstand in den Knästen und Heimen öffentlich gemacht wurde, weil sie die Thematik der Knäste und Heime problematisierten und dadurch eine breitere Öffentlichkeit herstellten.

Dass sie scheiterten, liegt vor allem daran, dass sie stets nur für ihre eigenen Forderungen kämpften und einen Sonderstatus beanspruchten, den wir energisch ablehnen. Alle Gefangenen sind politische Gefangene, und wo das erkannt wurde, wurde auch der Widerstand auf eine breitere Ebene gehoben, kam es zu einer Solidarisierung im größeren Rahmen, sei es in Höchst, in Straubing, Kaisheim, Preungesheim oder zuletzt in Berlin, wo die Gefangenen erkannt haben, dass die Hochsicherheitstrakts nicht allein für die so genannten politischen Gefangenen errichtet wurden, sondern für jeden, der sich nicht anpasst, der sich nicht dem Knastsystem unterwirft. Viele Gefangene haben auch schon lange vor der Verhaftung der Gefangenen aus der RAF militantere Methoden des Widerstandes praktiziert, vom Zerstören der Zelleneinrichtungen über Dachbesteigungen und Sit-Ins im Hof bis zu Arbeitsniederlegungen und Hungerstreiks. Derartiger Widerstand wird auch nötig sein, um für die Durchsetzung dieser Magna Charta zu kämpfen. Ihnen, denen alle Rechte genommen wurden, steht das Recht zu, mit aller Härte für mehr Rechte zu kämpfen.




Der letzte Hungerstreik in Berlin, an dem mehr als 200 Gefangene beteiligt waren, wird zum Signal für andere werden. In jedem Knast, in jedem Jugendheim, in jeder psychiatrischen Anstalt zwischen Berlin und Köln, zwischen Flensburg und Konstanz sollte die Magna Charta diskutiert werden. In jedem Knast, in jedem Jugendheim, in jeder psychiatrischen Anstalt zwischen Berlin und Köln, zwischen Flensburg und Konstanz sollte ein Forum des gemeinsamen Widerstands gebildet werden.

Wir rufen alle Internierten auf, sich diesem Kampf anzuschließen. Wir rufen alle Gefangenen aus der Stadtguerilla auf, auf jeden Sonderstatus zu verzichten und mit allen anderen gemeinsam für die Verbesserung der Haftbedingungen, für die Abschaffung jeder Art von Isolation und für die Integration in den Normalvollzug zu kämpfen.

Wir rufen alle Gruppen, Organisationen, Verlage, Buchläden, linke und alternative Zeitungen und Zeitschriften und andere Institutionen sowie Einzelpersonen auf, für die Verbreitung und Veröffentlichung der Magna Charta zu sorgen und den Forderungen von drinnen durch Unterstützung von draußen Naschdruck zu verleihen.

Wir rufen alle auf, Initiativen und Knastgruppen zu gründen, um sich für die Durchsetzung dieser Magna Charta einzusetzen, den Kampf für bessere Haftbedingungen zu unterstützen und mehr Öffentlichkeit für die Problematik der Knäste, Heime und psychiatrischen Anstalten herzustellen.

Gefangenenselbstinitiative Hamburg
Knastgruppe Wedding
Kollektiv Rote Hilfe München
Rote Hilfe Westberlin

Wir fordern

die Abschaffung der Internierung ökonomisch, politisch und rechtlich entwerteter Menschen in den Strafanstalten, psychiatrischen Verwahranstalten und Fürsorgeanstalten; wir fordern die Abschaffung der Verurteilung, Verwahrung und Einsperrung von Menschen, die dazu durch ihre Geschichte, ihre Herkunft vorbestimmt sind.




Für sofort fordern wir



l. im Bereich Arbeit
Gleicher Lohn wie draußen / Freie Arbeitswahl / Kein Zwang zur Arbeit / Mehr Möglichkeiten für unbewachte Arbeit außerhalb der Anstalten / Gleicher Versicherungsschutz wie draußen (Arbeitslosen-, Renten-, Krankenversicherung, Unfallversicherung) / Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften / Anspruch auf bezahlten Urlaub / Anspruch auf Sozialhilfe

2. im Bereich der ärztlichen Versorgung
Freie Arztwahl, die jedem bei der AOK Versichertem zusteht / Abschaffung der Anstaltsärzte und Anstaltskrankenhäuser / Auflösung der psychiatrischen Stationen in den Anstalten / Vorlage konkreter, zeitlich festgelegter Pläne zur Auflösung der psychiatrischen Anstalten und Umwandlung derselben in ambulante Stationen

3. im Bereich der Sonderbehandlung
Abschaffung der Einzelisolation / Keine Aufspaltung der Eingesperrten nach Delikt, Alter, Geschlecht, Nationalität, nach körperlichem (z.B. Behinderte) oder psychischem (z.B. Suizidgefährdete) Zustand durch Absonderung, keine speziellen Anstalten, Gebäude, Trakts und Abteilungen / Abschaffung aller Hausstrafen (Arrest, Einkaufssperre, Besuchssperre etc.) / Beseitigung der Sichtblenden und Fliegengitter vor den Fenstern / Keine Zwangsbehandlung durch Psychopharmaka und andere Medikamente / Keine Zwangsernährung, kein Wasserentzug / Keine Zwangsverlegung, vielmehr Berücksichtung der Verlegungswünsche der Eingesperrten / Abschaffung aller Gewaltanwendung (Prügelkommando, Chemische Keule, Beruhigungszelle, Fesselung, Zwangsjacke etc.) / Abschaffung menschenunwürdiger Behandlung (Körperfilzung, Guckloch, Kostklappe, Beobachtung rund um die Uhr etc.)




4. im Bereich Kontakt nach draußen
Unzensierter und uneingeschränkter Briefverkehr (so auch Aufhebung der Briefmarkenbeschränkung in Bayern) / Uneingeschränktes Informationsrecht, (Bücher, Zeitungen, Radiogeräte, Fernseher etc.) / Freier Telefonverkehr nach draußen / Jeder hat das Recht auf Urlaub und Ausgang / Freie Sexualität für alle Eingesperrten untereinander wie auch mit allen außerhalb der Anstalt, zu fördern durch mehr Urlaub oder Ausgang, durch die Bereitstellung von Möglichkeiten dazu innerhalb der Anstalt und durch Besuchsmöglichkeiten in der jeweiligen Unterkunft / Verlängerung der Besuchsdauer auf mindestens 10 Stunden monatlich, über deren zeitliche Aufteilung der Eingesperrte selbst entscheiden kann / Ausdehnung der Besuchszeiten auf 6 Stunden täglich / Erweiterung der möglichen Besucherzahl bei einem Besuch auf mindestens 5 Personen / Abschaffung der menschenunwürdigen Leibesvisitation von Besuchern / Keine Einschränkung des Empfangsbereichs bei Radiogeräten bzw. bei Fernsehern auf der Zelle / Jeder hat das Recht vierteljährlich ein Paket à 20 kg mit Nahrungs- und Genussmittel, neuer Kleidung und Gebrauchsgegenständen zu erhalten.

5. für Frauen und Kinder
Kein Knast für Frauen während der Schwangerschaft / Haftaufschub für Hauptbezugspersonen von Kleinkindern / Entscheidungsfreiheit für ältere Kinder und Jugendliche, wo und mit wem sie leben wollen

6. für Ausländer
Jeder Ausländer hat das Recht auf einen selbstgewählten, vom Staat finanzierten Dolmetscher / Kein Entzug der Aufenthaltsgenehmigung bei Strafraten / Recht auf eigensprachige Lektüre

7. im Bereich Unterbringung
Jeder hat das Recht auf eine ausreichende Wohnfläche / Freies und individuelles Gestalten der Unterkunft / Freie Entscheidung über Einzel- oder Mehrfachunterbringung / Offene Zellen bis 23 Uhr zur freien Bewegung in den einzelnen Gängen bzw. Stationen / Steckdose, Lichtschalter, Thermostat und Fenster zur eigenen Bedienung in jeder Zelle

8. im Bereich Freizeit
Recht auf Ausbildung, Weiterbildung und Umschulung; Ausbau des Bildungsangebotes; Bereitstellung von Lern- und Ausbildungsmaterial; Recht auf Ausbildungsförderung / Mehr Gemeinschaftsräume und Anschlagtafeln zum Informationsaustausch / Hof und Gemeinschaftsräume dürfen in der Freizeit uneingeschränkt benutzt werden / Selbstständige Gestaltung des Kulturprogramms (Film, Fernsehen, Hörfunk, Anstaltszeitung, Bibliothek etc.) / Auf jeder Station eine Kochmöglichkeit / Freier Zugang zu den Wasch- und Duschräumen / Ausbau der Sportmöglichkeiten

9. im Bereich Einkauf
Breitgefächertes Angebot und Preise, die an den regionalen Durchschnittspreisen draußen orientiert sind / Erhöhung des Einkaufs auf DM 300,– monatlich / Sämtliche Gelder dürfen zum Einkauf verwendet werden; Abschaffung des speziell zum Einkauf bestimmten Geldes / Mindestens einmal wöchentlich Einkauf, bei schnell verderblicher Ware öfter / Eigene Läden in jeder Anstalt / Jeder Gefangene kann selbst zum Einkaufen gehen.

10. im Bereich Essen
Besseres Essen, d.h. gleiches Essen für Bedienstete und Eingesperrte, genügend Eiweiß, genügend Vitamine, genügend Nährstoffe / Abschaffung der Lebensmittelrationierung / Bessere Getränke (Bohnenkaffee und schwarzer Tee)

11. im Gesetzesbereich
Gleiche Ausführungsbestimmungen zu bestehenden Gesetzen für Internierte und einheitliche Auslegung der Gesetze und der Ausführungsbestimmungen in allen Bundesländern / Abschaffung der Sicherheitsverwahrung, der Einweisung auf unbestimmte Zeit und der Jugendstrafe von unbestimmter Dauer (Gummistrafe) / Aktives und passives Wahlrecht für alle / Versammlungs- und Organisationsrecht; Recht auf eine unabhängige, selbstverwaltete Interessenvertretung mit Mitbestimmungsrechten im anstaltsinternen Bereich und mit Mitspracherechten im Bereich der Gesetzgebung und der Rechtssprechung bezüglich der Haft- bzw. der Verwahrsituation (z.B. bei Beschwerden, Drittelgesuchen) / Abschaffung der Pflicht- bzw. der Zwangsverteidigung und Abschaffung des diskriminierenden Armenrechts / Freie Auswahl für alle, auch für Strafgefangene; bei Zahlungsunfähigkeit muss der Staat die anfallenden Kosten (Anwalt, Gutachter, Sachverständiger, Dolmetscher, Zeuge, Verfahren) übernehmen.

Darüber hinaus fordern wir
die sofortige Umwandlung aller geschlossenen Fürsorge- und Erziehungsanstalten in offene Einrichtungen bzw. in unabhängige, selbstverwaltete Jugendwohngemeinschaften.


KOLLEKTIV ROTE HILFE   1980

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