Nachfolgenden Bericht haben wir von der Webseite der Gefangenengewerkschaft "GG/BO" übernommen:
Vor
Kurzem lernten wir Alex kennen. Er arbeitet für ein Unternehmen,
welches einen Auftrag für die JVA Plötzensee annehmen wollte. Alex
war damit nicht einverstanden und wehrte sich gegen den Auftrag –
mit Erfolg. Sein Unternehmen wird nun nicht für den Knast Plötzensee
arbeiten und (durch Alex) wahrscheinlich auch in Zukunft keine
Aufträge von Knästen annehmen. Die Art und Weise, wie Alex es
erreichte, dass sein Unternehmen den Auftrag abgelehnte, hat uns als
Soligruppe motiviert, lohnarbeitende Menschen zur Sabotage von
Knast-Aufträgen aufzurufen.
Aber
fangen wir von vorne an:
In
Berliner Knästen sind Mitarbeiter*innen, welche sich technisch wie
baulich mit den Anstalten beschäftigen, beim „Landesbetrieb
für Gebäudebewirtschaftung“
angestellt. Für die Energieversorgung in den JVA‘s sind die
„Berliner
Stadtwerke“
zuständig. Für die Gebäude in den JVA‘s ist das Berliner
Immobilienmanagement GmbH (kurz „BIM“)
verantwortlich, wobei das Berliner Energiemanagement GmbH (kurz
„BEM„)
als Tochterunternehmen der „BIM“ für die Dampfversorgung
zuständig ist.
In
der JVA Plötzensee war die „Ingenieurgemeinschaft
Weißensee“
für die Dampfversorgungsanlage zuständig, wobei sich die JVA
beschwerte, dass diese nicht richtig funktioniere. Deswegen sollte
die Anlage repariert werden. Weil die „Ingenieurgemeinschaft
Weißensee“ aber nicht mehr für die JVA Plötzensee arbeiten
wollte, wurde die „MUTZ
GmbH“angefragt
– für dieses Unternehmen arbeitet Alex. Die „MUTZ
Ingenieurgesellschaft mbH“ sollte nun also das Problem beheben,
welches die „Ingenieurgemeinschaft Weißensee“ laut der JVA
verursacht hatte.
Vor allem Alex sollte herausfinden, was die Ursache
für die Probleme der Dampferzeuger sind, welche nicht mehr richtig
arbeiteten und ständig Fehler verursachten.
„Ich
sollte herausfinden, weshalb die Dampferzeugung so schlecht
funktioniert. Als ich von dem Auftrag hörte, war ich zunächst total
überfordert. Ich wusste, dass ich keine Lust habe, für einen Knast
zu arbeiten, weil ich dadurch das Knastsystem ja nur noch effizienter
machen würde. Ich selbst bezeichne mich als Gegner des derzeitigen
Repressionsregimes. Knast ist ein Teil davon. Ich wollte diesen
Auftrag also auf keinen Fall ausführen und überlegte mir dann, wie
ich das verhindern kann.“
Alex
kontaktierte uns. Wir sprachen über die Möglichkeiten des
Widerstands – er entschied sich dafür, mit seinen
Mitarbeiter*innen, einschließlich des Chefs, reden zu wollen, mit
der Hoffnung, sie überzeugen zu können.
„Mit
meiner Argumentation habe ich ganz simpel angefangen. Erstmal habe
ich erklärt, warum die Ersatzfreiheitsstrafe ein Unding ist. In
der JVA Plötzensee sind ja viele Gefangene, welche eine solche
Strafe absitzen müssen.
Also Gefangene, welche ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten und
deswegen eine bestimmte Zeit ins Gefängnis müssen. Ich habe klar
gemacht, dass es nicht sein kann, dass Menschen in den Knast
einwandern, nur weil sie kein Geld haben. Da haben mir alle
Mitarbeiter*innen, auch mein Chef, zugestimmt. Dann dachte ich, dass
ich einen Schritt weitergehen kann und habe erklärt, warum ich
generell gegen Knäste bzw. für eine Welt ohne Knäste bin. Das war
schon schwieriger, weil dabei ja meine Ablehnung zum Kapitalismus und
zum Staat miteinbezogen werden musste.
Das hat dann auch eine ganz
schön heftige Diskussion unter einigen Mitarbeiter*innen ausgelöst.
Wir haben darüber diskutiert, inwiefern Knast mit Kapital und Staat
zusammenhängt, wieso mensch generell gegen Kapital und Staat sein
sollte und warum der Kampf gegen Knäste in dem Zusammenhang so
wichtig ist. Wir haben viel darüber gesprochen, dass es oft nicht
‚kriminelle Menschen‘ sind, die in Knästen sitzen, sondern
Menschen, welche kriminalisiert werden. Die JVA Plötzensee war mit
den vielen Gefangenen, welche nur einsitzen, weil sie die Geldstrafe
nicht zahlen konnten, ein gutes Beispiel. Anhand dessen wurde eine
allgemeine Debatte über die sogenannte Klassenjustiz ausgelöst. Wir
haben viel darüber gesprochen, dass immer die Menschen, die keine
(finanziellen) Mittel haben, weggesperrt und damit kriminalisiert
werden – also vor allem arme Menschen für ihre Armut bestraft
werden.
Wir haben auch über die wirtschaftliche Sinnlosigkeit
gesprochen, also dass Menschen eigentlich eine Geldstrafe zahlen
sollten, nun aber dem Staat durch ihre Knastzeit Geld kosten. Die
Argumentationen gegen Knäste waren also vielfältig. Von Bestrafung
der Armen (Klassenjustiz) , über wirtschaftliche Faktoren bis hin zu
gesamten Systemanalysen und der damit verbundenen Kritik haben wir
alles diskutiert. Wir haben auch über die Transformative
Justice,
also einer Alternative zu Knästen, gesprochen. In dem Zusammenhang
wurden unsere Diskussionen oft philosophisch, allerdings haben wir
viele Möglichkeiten gefunden, wie auf Konflikte reagiert werden kann
– ohne Knast.
Nach vielen langen Diskussionen waren sich mehrere
Mitarbeiter*innen einig: Knast ist scheiße, das wollen wir durch
unsere Arbeit nicht unterstützen. Hätten wir den Auftrag
angenommen, hätten wir das Knastsystem noch effizienter gemacht,
bzw. mindestens zur Aufrechterhaltung des Knastsystems beigetragen.
Das wollte nach den vielen Diskussionen schlussendlich niemand mehr.
Einige Mitarbeiter*innen sagten letzten Endes sogar, dass die wahren
Verbrecher*innen die Bosse von Großunternehmen, der Staat und die
ausführenden Organe, wie die Polizei, sind.
Diese Erkenntnis hat der
Leiter der Wäscherei in der JVA Plötzensee symbolisch auch noch
einmal bestätigt. Einmal mussten wir ihn in seinem Büro, welches
sich auf dem Gelände der JVA befindet, besuchen. Generell war er ein
totaler Klugscheißer. Als ich dann aber auch sein Büro betrat und
eine Karte vom preußischen Königreich und ein Bild von preußischen
Königen direkt über seinem Schreibtisch hängen sah, bekräftigte
mich das in meiner Analyse von vor ein paar Tagen, dass vor allem
Bosse von Unternehmen und ausführende Organe vom Staat (was er ja
durch seine Arbeit im Knast und als Leiter der Wäscherei beides ist)
die waren Verbrecher*innen sind. Natürlich kann ich nicht sagen,
dass die gesamte Belegschaft nun eine Anti-Knast Haltung hat. Aber
einige haben wirklich, aufgrund der geführten Diskussionen, viel
nachgedacht und sind schlussendlich zum Ergebnis gekommen, dass wir
mit unserem Auftrag zur Erhaltung des Knastsystems beitragen und
damit mitverantwortlich sind, wenn mal wieder Menschen weggesperrt
werden, die (finanziell) an den Rand der Gesellschaft gedrängt
wurden und werden. Hinzu kam, dass ich persönlich nicht erkannte,
weswegen die Dampfanlage und die Dampfqualität so schlecht ist –
allerdings war es ja meine Aufgabe, dass Problem zu erkennen. Ich
redete also mit meinen Kolleg*innen und meinem Chef – und dieser
lehnte dann den Auftrag ab.“
Es
gibt viele Möglichkeiten, sich gegen Knäste zu wehren. Als
Soligruppe der GG/BO unterstützen wir den Kampf von innen heraus.
Gefangene wehren sich kollektiv gegen Arbeits- und Lebensbedingungen
hinter Gittern, als Unterstützer*innen versuchen wir, für diese
Kämpfe eine Öffentlichkeit zu schaffen. Aber auch Menschen
„draußen“, welche nicht organisiert mit Gefangenen zusammen
kämpfen, können sich täglich gegen Knäste wehren. Ex- und interne
Aufträge für oder von Knästen können sabotiert oder gestört
werden, die Funktion von Knästen kann in der breiten Gesellschaft
diskutiert werden, lohnarbeitende Menschen können Aufträge, welche
zur Aufrechterhaltung des aktuellen Status quo beitragen, verweigern
usw.
Alex
hat eine Möglichkeit aufgezeigt, wie wir gemeinsam unser
Selbstbewusstsein gegen Knäste stärken, wie wir andere motivieren
können, sich gegen Knäste zu wehren und so Schritt für Schritt
eine breite Basis aufbauen können, die gemeinsam für eine bessere
Welt ohne Knäste kämpft.
Mit
dem Lebens-, Wohn- und Arbeitsumfeld in Kontakt treten, Diskussionen
anregen und Standpunkte klar zu benennen hat in diesem Fall Wirkung
gezeigt. Das ist natürlich keine Garantie für jede Diskussion. Aber
es zeigt auf, dass es mehr als nötig ist, in die Gesellschaft zu
treten und unsere Haltungen verständlich zu kommunizieren.
Wir
rufen alle lohnarbeitenden Menschen, welche für Knäste arbeiten
sollen, dazu auf, Aufträge zu verhindern! Diskutiert in eurer
Belegschaft, stellt euch quer! Lasst uns zusammen mit verschiedenen
Mitteln gegen Knäste kämpfen – fangen wir in unseren alltäglichen
Leben damit an!